Vereinte Nationen

Von Georgia nach Genf

Michèle Taylor Foto: National Center for Civil and Human Rights

Vereinte Nationen

Von Georgia nach Genf

Mit Michèle Taylor soll erstmals eine Jüdin die USA im umstrittenen Menschenrechtsrat vertreten

von Jérôme Lombard  11.11.2021 15:00 Uhr

Michèle Taylor soll neue Botschafterin der Vereinigten Staaten im UN-Menschenrechtsrat werden. US-Präsident Joe Biden gab kürzlich die Ernennung der Mitbegründerin der konservativ-egalitären Gemeinde Or Chadash in Sandy Springs im US-Bundesstaat Georgia für das Amt bekannt. In einer auf der Website des Weißen Hauses veröffentlichten Mitteilung heißt es zur Begründung, dass sich die 55-Jährige bereits in der Vergangenheit in vielerlei Hinsicht um den Einsatz für fundamentale Menschen- und Minderheitenrechte verdient gemacht habe.

Taylor war für viele Jahre am »National Center for Civil and Human Rights« beschäftigt und wurde 2014 vom damaligen Präsidenten Barack Obama in den Beirat des United States Holocaust Memorial Museum in der Hauptstadt Washington berufen. Dort setzte sie sich für die Bekämpfung von staatlich gefördertem Antisemitismus ein.

funktion Auch engagierte sich Taylor in ihrer Funktion maßgeblich gegen die Leugnung der Schoa. »Darüber hinaus war sie fast zwei Jahrzehnte lang in verschiedenen Funktionen für die North Carolina Outward Bound School tätig, wo sie Vorstandsmitglied, Ausbilderin und Kursleiterin war«, heißt es in der Erklärung weiter. Die Outward Bound School organisiert inklusive Erlebnis- und Outdoor-Reisen für Menschen jeglicher Altersgruppen und gesellschaftlicher Schichten.

Die Berufung Taylors in das neue Amt muss formal noch vom außenpolitischen Ausschuss des US-Senats sowie vom Senat selbst bestätigt werden. Wie die Zeitung »Atlanta Jewish Times« schreibt, will sich Taylor bis dahin nicht öffentlich zu ihrer Ernennung äußern. Die gebürtig aus Palo Alto in Kalifornien stammende Taylor wäre die erste Jüdin, die den Posten einer US-Botschafterin beim UN-Menschenrechtsrat innehätte.

Taylor ist die Tochter der Schoa-Überlebenden Susi H. Nichols, die unter ihrem Mädchennamen Trnka zusammen mit ihren Großeltern 1939 vor den Nazis aus Wien in die USA flüchtete.

Taylor ist die Tochter der Schoa-Überlebenden Susi H. Nichols, die unter ihrem Mädchennamen Trnka zusammen mit ihren Großeltern 1939 vor den Nationalsozialisten aus Wien in die USA flüchtete. Ihren Bachelor hat Taylor am Mills College und ihren Masterabschluss an der Universität von Boston gemacht. Seit Jahren engagiert sie sich in der Demokratischen Partei und war bei mehreren Präsidentschaftskandidaturen in lokalen Kampagnenteams aktiv.

Mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern lebt Taylor zeitweise in Georgia sowie in der für ihren Ski-Tourismus bekannten Stadt Steamboat Springs im Bundesstaat Colorado. In der Lokalzeitung »Steamboat Pilot & Today« wird Taylors langjährige Nachbarin und Freundin Paula Salky mit den Worten zitiert: »Sie war immer dieselbe Person, die hierherkam und Ski gefahren ist und die meiner Tochter beim Rechnen geholfen hat, aber sie nahm auch Anrufe von den Büros des Präsidenten und des Vizepräsidenten entgegen. Was ich an Michèle liebe, ist, dass sie wirklich ein normaler Mensch ist.«

Über die Ernennung ihrer Freundin zur US-Botschafterin im UN-Menschenrechtsrat freue sie sich sehr, wie Salky der Zeitung weiter sagte. »Es ist erstaunlich, den Prozess zu sehen, und dass, wenn man etwas im Leben wirklich will, es auch passieren kann.«

BIDEN Mit der Ernennung Taylors als US-Gesandte im UN-Menschenrechtsrat setzt Biden seinen bereits im Wahlkampf angekündigten Wiedereintritt in das Gremium der Vereinten Nationen um. Sein Vorgänger Donald Trump hatte die USA 2018 aus dem UN-Menschenrechtsrat mit der Begründung zurückgezogen, dass das Gremium sich in der Vergangenheit wiederholt einseitig anti-israelisch geäußert habe und eine objektive Beurteilung der weltweiten Menschenrechtslage nicht zu erwarten sei.

Tatsächlich hat der aus 47 wechselnden Staatsvertretern bestehende Menschenrechtsrat seit seiner Gründung 2006 insgesamt 95 Resolutionen gegen das demokratisch verfasste Israel verabschiedet. Gegen autoritäre Staaten wie Nordkorea, Syrien, Saudi-Arabien oder Iran hat der Menschenrechtsrat bislang zusammengenommen 73 Resolutionen verfasst. Israel wirft der Einrichtung der Vereinten Nationen Voreingenommenheit vor und entsendet keine Vertreter an ihren Sitz im schweizerischen Genf.

USA

Der Lautsprecher

Howard Lutnick gibt sich als Architekt der amerikanischen Zollpolitik. Doch der Handelsminister macht sich mit seiner aggressiven Art im Weißen Haus zunehmend Feinde

von Sebastian Moll  18.04.2025

Ungarn

Die unmögliche Geige

Dies ist die zutiefst berührende Geschichte eines Musikinstruments, das im Todeslager Dachau gebaut und 70 Jahre später am Balaton wiedergefunden wurde

von György Polgár  17.04.2025

Medien

Noa Argamani ist auf der »Time 100«-Liste

Alljährlich präsentiert das »Time Magazine« die 100 einflussreichsten Menschen der Welt. 2025 ist auch eine freigelassene israelische Geisel dabei

 17.04.2025

USA

Neuauflage von Weinstein-Prozess startet

Vor gut einem Jahr überraschte ein Gericht in New York die Welt und hob das historische Vergewaltigungsurteil gegen Harvey Weinstein auf. Nun wird über die Vorwürfe erneut verhandelt

von Benno Schwinghammer  14.04.2025

Türkei

Die Optimistin

Liz Behmoaras schrieb über das jüdische Leben im Land – und für das Miteinander. Ein Nachruf

von Corry Guttstadt  14.04.2025

Ägypten

Gefährliches Paradies

Der Sinai ist einer der wenigen Urlaubsorte im Ausland, den Israelis auf dem Landweg erreichen können. Gern auch zu Pessach. Aber zu welchem Preis?

von Matthis Kattnig  11.04.2025

Feiertag

Putzen, Plagen, Playmobil

Neben Mazza und Haggada bietet Pessach Raum für ganz neue, individuelle Rituale. Wir haben uns in sieben Familien in Europa und Israel umgehört

von Nicole Dreyfus  11.04.2025

Israel-Boykott

Johnny Rotten nennt Hamas »einen Haufen von ›Judenvernichtern‹ «

Eine irische Zeitung hat versucht, den Ur-Punk Johnny Rotten vorzuführen, der sich kraftvoll gegen einen Boykott Israels wehrt. Das ging gründlich schief

von Sophie Albers Ben Chamo  10.04.2025

USA

Eine Hochschule und ihr LGBTQ-Klub

Die einen feiern den »Meilenstein für queere Juden«, die Yeshiva University rudert zurück. Nicht nur die orthodoxe Gemeinschaft ist verwirrt

von Sophie Albers Ben Chamo  10.04.2025