Sie ist die »graue Lady« des US-Journalismus: Mutig und hartnäckig verteidigt die »New York Times« Demokratie und Freiheitsrechte. Sie erhebt ihre Stimme – und legt sich dabei auch mit den Mächtigen an.
Arthur Gregg Sulzberger, seit Januar neuer Herausgeber, machte sich gleich unbeliebt bei Donald Trump: Scharf kritisierte der 38-jährige gelernte Journalist dessen »Fake News«-Vorwürfe gegen die Medien. Trumps Attacken auf Journalisten seien »gefährlich und schädlich für unser Land«, sagte Sulzberger nach einem Treffen mit dem Twitter-Präsidenten Ende Juli im Weißen Haus.
Recherchen Die angesehene »New York Times« in Manhattan gilt als eine der besten Tageszeitungen weltweit. Für ihren kritischen und fairen Qualitätsjournalismus wurde das linksliberale Blatt mit Pulitzerpreisen überschüttet. Bis heute ist es wegen seiner Unparteilichkeit und seriösen Recherche für viele Journalisten ein Vorbild. Seit 122 Jahren ist die »Times« im Besitz der amerikanischen Familie Ochs/Sulzberger, die ihre Wurzeln in Deutschland hat – in Bayern, der Pfalz und in Baden.
Adolph Simon Ochs (1858–1935), Sohn jüdischer Emigranten, kaufte 1896 die vor der Pleite stehende »New-York Daily Times«. Ochs, sein Schwiegersohn Arthur Hays Sulzberger (1891–1968) und dessen Sohn Arthur Ochs »Punch« Sulzberger (1926–2012) führten das Blatt unter neuem Namen an die Weltspitze. Ochs’ Ururenkel Arthur Gregg (»A.G.«) Sulzberger leitet nun nach seinem 1951 geborenen Vater Arthur Ochs Sulzberger Jr. in fünfter Generation die Zeitung. Ihr Wahlspruch ist »All the news that’s fit to print« (Alle Nachrichten, die zum Drucken geeignet sind).
Julius Ochs (1826–1888), der Vater von Adolph Simon, wanderte 1844 aus dem bayerischen Fürth nach Cincinnati im US-Bundesstaat Ohio aus. Der Sprachlehrer heiratete Bertha Levy, die 1833 in Landau in der Pfalz geboren wurde. Die junge Frau hatte sich 1848 in Heidelberg an blutig niedergeschlagenen Studentenprotesten für einen liberalen Verfassungsstaat und die nationale Einheit beteiligt und floh nach Amerika.
kämpferin Während ihr späterer Ehemann Julius im amerikanischen Bürgerkrieg als Hauptmann der Unionstruppen gegen die Sklaverei kämpfte, unterstützte Bertha seltsamerweise die rassistischen Ansichten der Südstaaten. Angeblich schmuggelte die einstige Freiheitskämpferin, die 1908 in New York starb, gar in ihrem Kinderwagen Arzneistoff für die Konföderierten-Armee.
Ihr Sohn Adolph Simon arbeitete nach einer Druckerlehre als Setzer und erwarb kaum 20-jährig mit geborgtem Geld die »Chattanooga Times«. Mit 38 Jahren gelang ihm mit dem Kauf der »New York Times«-Vorgängerin dann der große Coup.
Nach Ochs’ Tod 1935 übernahm sein Schwiegersohn Arthur Hays Sulzberger das Ruder des Familienunternehmens und steigerte Auflage und Umsatz der »New York Times«. Auch Sulzberger war ein Deutschamerikaner, dessen Vorfahren aus Baden nach Philadelphia im US-Bundesstaat Pennsylvania ausgewandert waren. Die Ostküstenstadt war im 19. Jahrhundert neben New York das Zentrum jüdischer Auswanderer aus Deutschland und Europa in den USA.
Kantor Arthur Hays’ Großvater Leopold Sulzberger (1805–1881) hatte bereits 1838 Heidelsheim im Landkreis Karlsruhe den Rücken gekehrt. Dessen Bruder Abraham (1810–1886), ein Kantor der dortigen jüdischen Gemeinde, folgte ihm nach antijüdischen Ausfällen 1849 mit seiner Familie nach, erzählt der Ortschaftsrat und Lokalhistoriker Steffen Maisch aus dem heutigen Stadtteil von Bruchsal.
Traumatisch und prägend für sein weiteres Leben mussten für Abraham Sulzbergers Sohn Mayer die Hetzrufe »Der Jud’ muss raus!« während der judenfeindlichen Ausschreitungen in Heidelsheim im Zuge der badischen Revolution von 1848/49 gewesen sein. Mayer Sulzberger (1843–1923) wurde später ein hoch angesehener Anwalt und Richter in Philadelphia und eine der wichtigsten Persönlichkeiten des US-amerikanischen Judentums. Über Jahrzehnte setzte sich Mayer, unter anderem in der Leitung des »American Jewish Committee« (AJC), für die Rechte amerikanischer Juden ein.
Nach Problemen im Zuge der Medienkrise profitiert die »New York Times« seit geraumer Zeit vom »Trump«-Effekt. Regelmäßig enthüllt sie neue Skandale und Affären des US-Präsidenten, etwa seine »Russland-Connection« im Wahlkampf. Der Rummel um den Präsidenten hat der »grauen Lady« viele neue digitale Leser beschert, auch wenn der Verlag Millionenverluste macht.