Seit vergangenem Freitagabend stehen bei der israelischen Airline El Al die Telefone nicht mehr still. Acht Direktflüge nach Tel Aviv mussten abgesagt werden. Rund 1.200 Passagiere hängen in Berlin, München und Frankfurt fest. Die Aschewolke des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull, die seit Mitte vergangener Woche über Westeuropa hängt, sorgt auch in der jüdischen Welt für Aufregung: Zahlreiche Fluggäste sind an den Airports zwischen Oslo und Wien gestrandet und müssen dort den Schabbat verbringen. Das gilt auch für die meisten El-Al-Mitarbeiter: »Wir mussten bis 22 Uhr arbeiten, obwohl wir das eigentlich nicht dürfen«, sagt Ben-Zion Malka, El-Al-Generaldirektor für Deutschland und Österreich. »Das größte Problem aber ist, dass wir überhaupt nicht vorplanen können.«
Chaos Etwa 60 Prozent der betroffenen El-Al-Passagiere sind Israelis. Über Kurzmitteilungen versucht das Servicepersonal, die Verbindung mit ihnen aufrechtzuerhalten. Doch viel mehr als den Stillstand zu verwalten, bleibt ihnen nicht übrig. Am Samstag hieß es, dass von Rom aus Flüge nach Tel Aviv starten würden, doch nur wenige Gestrandete machten sich auf den Weg nach Italien. »Wir empfehlen unseren Passagieren abzuwarten«, betont Malka.
Während man sich auf dem Frankfurter Flughafen Anfang der Woche bemühte, das Chaos irgendwie in den Griff zu bekommen, ist es in der Jüdischen Gemeinde der Mainstadt noch ruhig. »Wir haben bislang nichts gehört« berichtet Verwaltungsdirektor Stefan Szajak.
600 Kilometer weiter nördlich in Berlin ist die Situation etwas anders: Rabbiner Yehuda Teichtal erzählt, dass bereits seit vergangenem Donnerstagabend bei Chabad Lubawitsch ständig das Telefon klingle. »Zahlreiche Menschen fragten: Wo kann man schlafen, wann sind die Gebetszeiten, wo gibt es koscheres Essen? Wir haben versucht, schnell zu helfen.« Wie im Fall einer Israelin, deren Vater in Stockholm verstorben war. Sie befand sich auf dem Weg nach Schweden. »Ihr Flug wurde gestrichen, also haben wir ihr kurzerhand einen Fahrer besorgt, der sie zur Beerdigung brachte«, erzählt Teichtal. Ande- re blieben über Schabbat in der Stadt. Chabad stellte in seinem Bildungszentrum Münstersche Straße Gästebetten auf und sorgte für ein Schabbatessen. Denen, die in einem Hotel unterkamen, brachten die Lubawitscher Wein und Challot.
Jom Haazmaut Selbst in Israel waren die Auswirkungen zu spüren. Eine Mitarbeiterin der Hilfsorganisation Keren Hayesod in Jerusalem berichtete am Freitag, dass sie bereits zahlreiche Anrufe und SMS-Nachrichten von Mitarbeitern, Referenten und Künstlern erhalten habe, die entweder auf dem Weg ins Ausland oder nach Hause waren – und nur bis zum Flughafen kamen. Reisepläne und Termine mussten innerhalb kürzester Zeit umgearbeitet werden. Tausende Israelis, die in Europa festsaßen, waren gezwungen, auch den 62. Unabhängigkeitstag an Flughäfen oder in Hotellobbys zu verbringen. Dass die Aschewolke über Europa nicht nur Touristen daran hindert, nach Hause zu kommen, sondern auch wirtschaftliche Folgen nach sich zieht, merkt der Caterer Sohar Gur. Der Israeli versorgt verschiedene Fluglinien mit koscheren Speisen und befürchtet wegen der Luftraumsperrung Einbußen: »Normalerweise liefern wir täglich 400 bis 500 Portionen«, sagt Gur, zu dessen Kunden auch die Lufthansa zählt, »seit drei Tagen jedoch geht nichts mehr.« Noch lässt sich der ökonomische Schaden nicht beziffern.
Der Betrieb läuft erst einmal weiter. Soweit sich der Transport über Lastwagen abwickeln lässt, nimmt Gurs Catering-Service auch Äufträge aus dem Ausland entgegen. »Aber ich hoffe, dass das alles nicht mehr so lange dauert.« Gurs Hoffnung scheint sich zu erfüllen. Seit Montagnachmittag ist der Luftraum über Europa teilweise wieder geöffnet.