NBA

Vom Kinneret nach Washington

Das israelische Ausnahmetalent Deni Avdija spielt ab nächster Saison für die amerikanische Basketball-Liga

von Daniel Killy  20.12.2020 09:42 Uhr

Deni Avdija (M.) beim Spiel von Maccabi Fox Tel Aviv gegen Zenit St. Petersburg Foto: NurPhoto via Getty Images

Das israelische Ausnahmetalent Deni Avdija spielt ab nächster Saison für die amerikanische Basketball-Liga

von Daniel Killy  20.12.2020 09:42 Uhr

Er ist erst 19 Jahre alt und gilt als wohl größtes Basketballtalent unter vielen israelischen Talenten derzeit: Deni Avdija. Der Small Forward von Maccabi Tel Aviv wurde überraschend als neunter Spieler in der ersten Runde der NBA-Drafts, dem live im Fernsehen übertragenen Transfer-Spektakel der Liga, von den »Washington Wizards« für die amerikanische Profiliga verpflichtet.

Die Position des Small Forward ist die vielschichtigste im Basketball; der Small Forward, im Deutschen Flügelspieler genannt, ist die Allround-Position auf dem Feld. Top-Spieler auf der Position sind etwa LeBron James von den Los Angeles Lakers oder Jimmy Butler von Miami Heat.

Familie und Freunde mussten wegen Corona getrennt jubeln.

In Israel war es tiefste Nacht, als Avdijas Verpflichtung bekannt gegeben wurde. Seine Familie und Freunde mussten wegen Corona getrennt vor dem Fernseher jubeln, anstatt die große TV-Gala vor Ort erleben zu können. Und in Washington war man überrascht, dass Avdija noch zu haben war. »Er war definitiv der höchstplatzierte Spieler im Draft, den wir holen wollten«, sagt der General Manager der Wizards, Tommy Sheppard, zur »Jerusalem Post«. »Unsere Scouts hatten Avdija schon im Blick, seit er 16 Jahre alt war.«

Für einen 19-Jährigen ist solch ein Wechsel über eine Entfernung von rund 10.000 Kilometern natürlich ein Riesenschritt, und kein einfacher dazu. Kaum dass Avdija in Washington angekommen war, ging es erst einmal in Quarantäne. Danach folgt das Trainingslager, und am 22. Dezember soll die neue NBA-Saison starten – sofern Corona nicht in letzter Minute alle Pläne durchkreuzt.

NEUSTART Auf seiner ersten (»Zoom«-)Pressekonferenz in Washington am 2. Dezember ließ Avdija jedenfalls durchblicken, wie groß der Schritt nach Washington für ihn ist. »Es war wirklich emotional, ich möchte da gar nicht herumeiern. Ich musste eine Menge Freunde und meine Familie, die ich so liebe, für lange Zeit zurücklassen. Aber ich weiß, dass sie alle stolz auf mich sind, hinter mir stehen und mir Erfolg wünschen.«

Avdija machte jedenfalls aus seinem Herzen keine Mördergrube. »Ich bin in einer sorgenfreien Umgebung aufgewachsen. Ich hatte meine Freunde um mich, verstand die Sprache – und jeder kennt mich, weil ich bei Maccabi spiele. Mit dem Start des Flugzeugs habe ich alle, die mir lieb und wichtig sind, für eine ganze Weile hinter mir gelassen. Das ist jetzt ein kompletter Neuanfang für mich – eine neue Karriere. Ich kenne niemanden hier, das ist ziemlich hart. Ein Neustart eben – aber keine Sorge, ich halte was aus.«

Das wird wohl auch nötig sein in der besten Basketballliga der Welt. Denn obwohl die Wizards die vergangene Saison recht mittelmäßig abgeschlossen haben, ist die KonkurrenMit 16 war Avdija der jüngste Profi aller Zeiten bei Maccabi.z für den Newcomer doch groß. Neben den Topspielern Bradley Beal, John Wall und dem Großtalent Rui Hachimura wird es noch jede Menge Hürden für Avdija geben.

SPIELINTELLIGENZ Doch der Junge aus dem Kibbuz Beit Zera nahe des Kinneret wird das schon schaffen – meint Washingtons Cheftrainer Scott Brooks. »Ich liebe seine Härte und seine Spielintelligenz. Er betritt den Platz und ist sofort im Wettkampfmodus«, sagt Brooks über seinen neuen 2,06-Meter-Spieler.

Mit 16 war Avdija der jüngste Profi aller Zeiten bei Maccabi.

In Israel war Avdija stets der Jüngste: mit 16 der jüngste Spieler aller Zeiten in Maccabis Profiteam, mit 18 der jüngste MVP der israelischen Liga, also der beste Spieler der Saison – und israelischer Meister. Bis zur vierten Klasse hatte der kleine Deni, Sohn des serbisch-israelischen Ex-Basketballprofis und heutigen Trainers Zufer Avdija, übrigens nur Fußball im Kopf.

Auch Vater Zufer hatte im damaligen Jugoslawien als Jugendlicher Fußball gespielt. Er wechselte die Sportart erst mit 15. Im Jahr 1982 gewann er mit dem jugoslawischen Nationalteam die Bronzemedaille bei der Weltmeisterschaft. Er war ein Star in seiner ersten Heimat. Zufer Avdija gehört der kleinen Volksgruppe der Goraner an, Sunniten aus der Dreiländerregion Kosovo, Albanien und Nord-mazedonien. In den 90er-Jahren ging er nach Israel und spielte bei vier Vereinen professionell Basketball.

FAMILIE Die Familie Avdija ist ein perfektes Beispiel für israelisches Multikulti. Der Muslim Zufer, den alle nur Zufi nennen, ist mit der Jüdin Sharon Artzi verheiratet, einer vormaligen Star-Leichtathletin aus dem Kibbuz Beit Zera. Sie lernten sich Anfang der 90er-JahreDie Liebe zu Israel will er an Juden in den USA weitergeben. kennen – 2001 kam Deni zur Welt.

Jetzt ist ihr Sohn auf dem Weg, der größte Star der Familie zu werden. »Ich hatte bei jedem Pick Schmetterlinge im Bauch«, sagte Deni kurz nach seiner Verpflichtung zu israelischen Journalisten. »Erwartungen hatte ich wirklich keine, ich hätte genommen, was kommt. Aber dann als neunter Spieler ausgewählt zu werden und unter den Top Ten der NBA zu sein – das ist wirklich fantastisch für unser Land.«

Die Liebe zu Israel will er an Juden in den USA weitergeben.

Die Liebe zu Israel hat er von seinen Eltern geerbt – und er will sie weitergeben an Amerikas jüdische Gemeinden. »Wir sind eine große Familie«, sagte er auf der Pressekonferenz mit den israelischen Kollegen. »Und ich werde darauf achten, dass ich immer mein Bestes gebe. Ich werde die jüdischen Gemeinden und jeden um mich herum stolz machen.«

Und dann sagt er einen Satz, der für einen 19-Jährigen etwas altklug klingt – oder eben sehr weise: »Meine Botschaft an die Kinder Israels ist: Ich habe euch gezeigt, was man erreichen kann, wenn man sein Bestes gibt und hart arbeitet – man kann es weit bringen im Leben.« Zunächst einmal von einem Kibbuz am Kinneret nach Washington.

Kalifornien

»Es ist okay, nicht okay zu sein«

Wie die jüdische Gemeinschaft in Los Angeles mit den verheerenden Bränden umgeht – ein Zeugenbericht

von Jessica Donath  13.01.2025

Essay

Ritt ins Verderben

Gedanken eines österreichischen Juden zu einer möglichen Kanzlerschaft des Rechtsextremisten Herbert Kickl

von Vladimir Vertlib  12.01.2025 Aktualisiert

Frankreich

Zuflucht vor Mobbing

Weil die Zahl antisemitischer Vorfälle dramatisch steigt, nehmen immer mehr jüdische Eltern ihre Kinder von öffentlichen Schulen und schicken sie auf private. Eine Erkundung in Paris

von Florian Kappelsberger  12.01.2025

Polen

Duda würde Netanjahu nicht verhaften lassen

Am 27. Januar jährt sich die Befreiung von Auschwitz zum 80. Mal. Kommt der israelische Ministerpräsident trotz eines Haftbefehls gegen ihn?

 09.01.2025

Kalifornien

Synagoge fällt Feuern von Los Angeles zum Opfer

Die riesigen Brände gefährden auch jüdische Einrichtungen

 08.01.2025

USA

Welcome to Jiddishland

Nirgendwo sprechen so viele Menschen Jiddisch wie in New York. Und es werden immer mehr. Die Mameloschen hat die Grenzen der chassidischen Communitys längst überschritten

von Jörn Pissowotzki  08.01.2025

Social Media

Elon Musk hetzt wieder gegen George Soros

Der Berater des designierten US-Präsidenten Donald Trump bedient sich dabei erneut der Figur des Magneto aus dem Marvel-Universum

von Ralf Balke  08.01.2025

Interview

»Die FPÖ gilt als Prototyp des Rechtspopulismus«

Demokratieforscher Simon Franzmann über den Rechtsruck in Österreich

von Michael Grau und Daniel Behrendt  08.01.2025

Meinung

Der Neofaschist Herbert Kickl ist eine Gefahr für Österreich

In der FPÖ jagt ein antisemitischer »Einzelfall« den anderen, ihr Obmann will die liberale Demokratie abschaffen und könnte schon bald Kanzler sein

von Bini Guttmann  08.01.2025