Graugrün ist das neue Museum – ein Klotz vor dem Denkmal für die Helden des Warschauer Ghettoaufstands. Über Jahrzehnte war der Platz leer. Das Denkmal des Schoa-Überlebenden Nathan Rappoport ragte zwischen sozialistischen Plattenbauten heraus und erinnerte schmerzlich an das jüdische Leben, das hier einst pulsierte, an das Ghetto in der Okkupationszeit und die leblose Stille nach 1945.
Ende dieser Woche wird das Museum der Geschichte der polnischen Juden erstmals für wenige Tage öffnen. Zwar wird die Hauptausstellung, die an tausend Jahre jüdische Geschichte in Polen erinnern soll, erst 2014 zu sehen sein, doch allein die Innenarchitektur des Museums ist atemberaubend.
Rotes Meer Den Eingang gestalteten die finnischen Architekten Rainer Mahlamäki und Ilmari Lahdelma wie eine gigantische Höhle oder eine Schlucht, die sich durch das ganze Gebäude zieht. Die 40 Meter hohen Betonwände weichen wie Wellen auseinander. Zunächst wollten die Architekten Assoziationen an die Teilung des Roten Meeres und die wunderbare Rettung der Israeliten wecken, doch inzwischen hat sich als zweite Interpretation die Schoa als Riss durch die jüdische Geschichte Polens etabliert.
Die Idee für das Museum reicht 20 Jahre zurück. Als 1993 das United States Holocaust Memorial Museum in Washington eröffnet wurde, war auch Grazyna Pawlak dabei. Die damals geschäftsführende Direktorin des Trägervereins des Jüdischen Historischen Instituts Warschau kehrte beeindruckt nach Polen zurück. Noch nie zuvor hatte sie ein Museum gesehen, das so spannend und anschaulich Geschichte erzählte.
Idee Wenig später stellte sie ihre Idee von einem jüdischen historischen Museum in Warschau vor, das nicht vom Tod, sondern vom Leben der polnischen Juden erzählen sollte. Ein solches Museum gab es bislang in Polen nicht, nur Gedenkstätten in den ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslagern.
Innerhalb von nur zwei Jahren legte Pawlak den organisatorischen und finanziellen Grundstein für das Museum, das als eines der ersten Public-Private-Partnership-Projekte Polens für Aufsehen sorgte. Beteiligt waren das polnische Kulturministerium, die Stadt Warschau und der Trägerverein des Jüdischen Historischen Instituts. Gründungsdirektor des Museums wurde 1996 der Historiker Jerzy Halbersztadt. Er hatte zuvor das Warschauer Universitätsmuseum sowie die polnische Abteilung des Holocaust-Museums in Washington geleitet.
Finanzierung Bis zur offiziellen Unterzeichnung der Gründungsurkunde Anfang 2005 vergingen allerdings noch neun Jahre. Immer wieder drohte das Projekt an der Finanzierung der Ausstellung zu scheitern. 2012 übernahm die öffentliche Hand die Initiative und stellte mit Andrzej Cudak einen erprobten Verwaltungsdirektor und Manager ein. Zuletzt hatte Cudak die Hauptstadt auf die Fußball-Europameisterschaft vorbereitet.
Für die Gestaltung der insgesamt acht Ausstellungsgalerien, die 2014 eröffnet werden sollen, ist die New Yorker Theater- und Kulturwissenschaftlerin Barbara Kirshenblatt-Gimblett (70) zuständig. Sie beschäftigt sich seit Jahren mit jüdischer Kultur in Osteuropa und genießt den Ruf einer renommierten Museumsfachfrau. Seit 2006 leitet sie das Expertenteam, das die Ausstellung auf 4000 Quadratmetern vorbereitet.
Nächstes Jahr werden die Besucher durch einen imaginären Legendenwald die Ausstellung betreten, ins Mittelalter weiterwandern, im sogenannten jüdischen Paradies Polens des 16. und 17. Jahrhunderts Halt machen, sich im Schtetl umsehen, durch das 19. Jahrhundert und die Moderne spazieren, bevor mit der »Straße der II. Republik« die Vorkriegszeit beginnt, die bereits ihre Schatten vorauswirft. Die nachfolgende Galerie »Vernichtung« zeigt das Leben im Ghetto, aber auch das Leben christlicher Polen unter der deutschen Besatzung. Der letzte Teil der Hauptausstellung umfasst die Zeit vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zur Gegenwart.