Die französische Nationalversammlung hat vergangene Woche eine enge Vertraute Emmanuel Macrons, Yaël Braun-Pivet, zu ihrer Präsidentin und in das vierthöchste Staatsamt Frankreichs gewählt. Die 51-jährige Anwältin mit jüdischen Vorfahren ist die erste Frau, die dieses Amt bekleidet – ein Zeichen des Fortschritts trotz der schwindenden Parität im Unterhaus.
Die Großeltern der Strafrechtlerin flohen in den 30er-Jahren vor den Nazis nach Frankreich, wo sie die Schoa überlebten. Yaël Braun-Pivet besuchte eine jüdische Schule in Straßburg und schloss ihr Jurastudium an der Universität Paris-Nanterre ab. Mit ihrem Mann, einem beim Kosmetikunternehmen L’Oréal beschäftigten Manager, hat sie fünf Kinder. Aufgrund seiner Arbeit lebte die Familie einige Zeit in Japan und Taiwan. Später erwarb Braun-Pivet in Frankreich einen Master in Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht.
Bis 2016 war sie Anhängerin der Sozialistischen Partei. Dann schloss sie sich der Bewegung En Marche von Emmanuel Macron an. 2017 trat sie der französisch-israelischen Freundschaftsgruppe in der Nationalversammlung bei und war Vorsitzende des dortigen Rechtsausschusses sowie zuletzt kurzzeitig Ministerin für die Überseegebiete.
Antrittsrede In ihrer Antrittsrede als Präsidentin kritisierte Braun-Pivet die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA, das Abtreibungsrecht aufzuheben, als »brutal«. Weiter sagte sie, dass »nichts als selbstverständlich« angesehen werden sollte. »Die Geschichte besteht aus großen Fortschritten, die aber immer Gefahr laufen, rückgängig gemacht zu werden.« Sie betonte, dass das Recht auf Abtreibung in Frankreich bestehen bleiben müsse.
Im vergangenen Jahr sah sich Braun-Pivet mehrmals mit antisemitischen Attacken konfrontiert. Im Februar teilte sie auf Twitter eine antisemitische Hassnachricht, die sie privat erhalten hatte. Der Verfasser schrieb: »Diesmal sind es die Muslime, die sich mit euch befassen werden.« Im November äußerte sie sich in einem französischen Medium als Jüdin besorgt darüber, dass die Thesen des rechten Politikers Éric Zemmour in der Öffentlichkeit an Bedeutung gewönnen. Dieser hatte behauptet, das Vichy-Regime habe die französischen Juden geschützt und nur ausländische ausgeliefert«.
Arie Bensemhoun, Geschäftsführer von ELNET Frankreich, einer Organisation, die sich um die Stärkung der Beziehungen zwischen Israel und Frankreich bemüht, begrüßte die Wahl Braun-Pivets zur neuen Parlamentspräsidentin: »In einer Zeit, in der unser Land von Kommunitarismus, Separatismus und Nationalismus geplagt wird und in der die extreme Rechte und die extreme Linke ständig mit Ängsten spielen, um Frankreich zu spalten und zu zersplittern, ist die Wahl von Yaël Braun-Pivet eine Quelle der Hoffnung, dass die Werte der Republik und der Demokratie im Parlament verteidigt werden.«
Paris