Nach der Wahl Jeremy Corbyns zum neuen Labour-Vorsitzenden freuen sich viele innerhalb Großbritanniens, dass nun ein Sozialist mit klarer Stimme gegen die Sparpolitik der Tories antritt. Der 66-jährige Corbyn, der mit 59,5 Prozent der Stimmen gewählt wurde, pocht auf eine Außenpolitik innerhalb des nationalen und internationalen Rechtes und will sich für mehr soziale Gerechtigkeit einsetzen.
Bereits drei Stunden nach Verkündigung des Wahlergebnisses begab sich Corbyn auf die erste große Demonstration in Großbritannien für eine bessere Flüchtlingspolitik. Rachel Lasserson, die ehemalige Redakteurin der Zeitschrift »Jewish Quarterly«, postete auf Facebook, dass Corbyns Antrittsrede mit den Worten »Wir müssen nicht ungleich sein!« in ihrer Bescheidenheit die antitriumphalste der Geschichte gewesen sei.
Antipathie Auch Stephen Shashoua, der ehemalige Direktor von »3FF«, einer Organisation, die sich auf den Dialog zwischen den religiösen Fronten in Schulen spezialisiert hat, begrüßte Corbyns Wahl als Resultat einer menschlicheren Stimme in der Politik. Dennoch machte der Redakteur der britischen jüdischen Zeitung »The Jewish Chronicle« aus seiner Antipathie zu Corbyn in zahlreichen Tweets und Facebook-Posts kein Geheimnis. Auf Twitter fragte er Corbyn, wie dieser glaube, sieben von zehn Juden in Großbritannien beruhigen zu wollen, die bei einer Meinungsumfrage der Zeitung angaben, Corbyn stelle für sie eine Gefahr da.
Michael Dickson, der Geschäftsführer der israelischen Organisation »Stand with Us«, die in den sozialen Medien für Israel wirbt, verbreitete sogar ein provokatives Bild, das einen islamischen Militanten mit Telefonhörer zeigt, mit der Unterschrift »Erste Gratulationsanrufe für den neuen Labour-Führer«. Eine böse Anspielung auf die Tatsache, dass Corbyn mit Hisbollah- und Hamasfunktionären verkehre, obwohl der Labour-Politiker nach Beschwerden aus der jüdischen Gemeinschaft klarstellte, dass er nicht mit der Meinung der Militanten übereinstimme.
Vergangenheit Simon Johnson, Geschäftsführer des »Jewish Leadership Council«, sagte, dass der Rat weiterhin nach Wegen suchen werde, um mit der Regierungsopposition zusammenzuarbeiten. Er gab jedoch die fragwürdigen Kontakte in Corbyns Vergangenheit und einige seiner politischen Standpunkte zu bedenken. »Es ist wichtig, dass diese legitimen Bedenken der Gemeinschaft gehört werden«, sagte Johnson. Er hoffe, Corbyn so bald wie möglich zu treffen, um diese Punkte zu diskutieren.
Außerdem müsse die Frage angesprochen werden, wie die Labour-Partei und die jüdische Gemeinschaft weiter im Geiste der Kooperation und des Verständnisses miteinander arbeiten könnten. Gerade weil es bei Labour jüdische Mitglieder gebe, sei es wichtig, dass Juden in der Partei weiterhin willkommen geheißen würden.