Schweiz

Vergessene Mizwa

In Israel habe ich das schon einige Male gemacht – aber hier?» Immer wieder ist der Satz an diesem Abend im Basler Blutspendezentrum zu hören. Denn diesmal sind nicht einfach die Einwohner der Rheinstadt zur Blutspende aufgerufen, sondern ausdrücklich die in Basel lebenden Juden.

«Der Gedanke, dass nicht nur medizinische Einrichtungen in Israel, sondern auch diejenigen in der näheren Umgebung Hilfe brauchen, ist vielen Gemeindemitgliedern offenbar erst gekommen, als sie die Einladung zu dieser ungewöhnlichen Aktion erhielten», sagt ein Arzt, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte.

Das Lehrhaus Schomre Thora, eine mehr als 100-jährige Basler Institution, hatte die jüdischen Einwohner der Stadt nämlich daran erinnert, dass es eine Mizwa ist, Blut zu spenden. Und weil in Basel, wie in vielen anderen Regionen, zu wenig Blut gespendet wird, fiel die PR-Offensive des Blutspendezentrums beim Vorstand der Schomre Thora auf fruchtbaren Boden.

Die Mitarbeiter des Transfusionszentrums nutzen zurzeit alle Möglichkeiten, um an Blut zu kommen. Denn weil es zu wenige Spender gibt, müssen sie jedes Jahr rund 6.000 Liter vor allem von anderen Schweizer Kliniken kaufen.

Geld «Die abnehmende Spendenbereitschaft vor allem junger Leute hat verschiedene Gründe», sagt Gaby Karrup, Verwaltungsleiterin des Blutspendezentrums Basel. Zum einen liege es daran, dass immer weniger Geld für Werbung zur Verfügung steht. Zum anderen schreckten aber auch die in Zeiten von Aids schärfer gewordenen Kriterien mögliche Spender ab.

Man erhofft bei Vereinen und Organisationen «eine gewisse Kooperationsbereitschaft, sich an einer Blutspendeaktion zu beteiligen», sagt Karrup. Privatpersonen fürs Blutspenden zu bezahlen, sei allerdings tabu. «Egal, ob jemand in finanziellen Schwierigkeiten ist, das kommt für uns einfach nicht infrage», so Karrup.

Die Rufe seien nicht ungehört geblieben, sagt Alain Nordmann, Arzt und seit einigen Jahren Schomre-Thora-Präsident. Mit dieser Blutspende-Aktion könne man praktische Hilfe leisten und gleichzeitig auch etwas fürs eigene Image tun: nämlich beweisen, dass die Schomre Thora, die sonst vor allem Schiurim und Lerntage organisiert, keine verstaubte Lehrinstitution sei. «Unsere Einrichtung setzt sich auch fürs Allgemeinwohl ein, wenn es nötig und richtig ist», sagt Nordmann.

Ein Teilanstoß für die ganze Aktion dürfte – zumindest indirekt – vom britischen Oberrabbiner Jonathan Sacks gekommen sein. Der hatte bei seinem Besuch in Basel vor gut einem Jahr erzählt, in England würden sich jüdische Gemeindemitglieder an sogenannten Mizwa Days ausdrücklich auch für Bedürfnisse der nichtjüdischen Umgebung einsetzen. Dazu gehört unter anderem das Blutspenden.

Nahrung Der Ansturm hielt sich bei der Premiere in Basel allerdings in Grenzen. Nur 20 Personen kamen zum Blutspenden. Diejenigen jedoch, die den Weg zum Transfusionszentrum gefunden hatten, erhielten nicht nur körperliche, sondern auch geistige Nahrung mit auf den Weg: Rabbiner Yaron Nisenholz von der Israelitischen Gemeinde Basel (IGB) zeigte nämlich in einem Schiur, dass Blutspenden nicht nur eine Geste, sondern tatsächlich auch eine Mizwa ist.

Nisenholz zitierte verschiedene Gelehrte wie Israels früheren sefardischen Oberrabbiner Ovadia Josef zum Thema «Lebensgefahr» und sprach darüber, wie sehr man das eigene Leben in Gefahr bringen soll, um einen anderen Menschen zu retten. Er sparte auch das heikle Thema «Organspende» nicht aus. Doch eine Blutspende, so der Basler Rabbiner, sei eindeutig viel weniger riskant.

Selbst konnte Nisenholz bei der Schomre-Thora-Aktion leider nicht mitmachen. Er war an diesem Abend stark erkältet. In diesem Zustand raten die Mediziner vom Blutspenden ab.

Ein Mann mittleren Alters sitzt nach der Blutspende in der kleinen Cafeteria des Transfusionszentrums, kaut ein Sandwich und sinniert: «Nach rund fünf Minuten war die ganze Aktion bei mir beendet. In Israel hat es doch erheblich länger gedauert – aber da war der Andrang eben auch viel größer.»

USA

Modisch und menschlich

Seit 25 Jahren betreibt Allison Buchsbaum eine Galerie für zeitgenössischen Schmuck in Santa Fe

 22.10.2024

Großbritannien

»Zionistisch und stolz«

Phil Rosenberg, der neue Chef des Board of Deputies of Jews, über den Kampf gegen Judenhass

von Daniel Zylbersztajn-Lewandowski  20.10.2024

Südafrika

Terroristin auf dem Straßenschild?

In Johannesburg soll eine wichtige Hauptverkehrsstraße nach der Flugzeugentführerin Leila Chaled benannt werden

von Michael Thaidigsmann  16.10.2024

New York

Versteck von Anne Frank wird nachgebaut

Rekonstruktion soll zum 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz in New York zu sehen sein

von Annette Birschel  16.10.2024

Österreich

Wenn der Rebbe keltert

Schlomo Hofmeister kauft jedes Jahr Trauben und produziert seinen eigenen koscheren Wein

von Tobias Kühn  16.10.2024

Lufthansa

Millionenstrafe wegen Diskriminierung von Juden

Die USA sanktionieren die Airline wegen des Ausschlusses von 128 jüdischen Fluggästen vom Weiterflug nach Ungarn

 16.10.2024

Indien

Kosher Mumbai

Mithilfe der »Jewish Route« soll in der indischen Metropole der reichen jüdischen Vergangenheit gedacht und eine Brücke zur Gegenwart geschlagen werden

von Iris Völlnagel  15.10.2024

Ungarn

Identitäten im Dilemma-Café

»Haver« nennt sich eine Stiftung, deren Ziel es ist, nicht-jüdischen Jugendlichen durch Spiele und moderierten Diskussionen das Judentum näherzubringen

von György Polgár  14.10.2024

Ungarn

Willkommen in Szarvas!

Einen Sommer über haben Kinder aus Osteuropa, aber auch aus Israel oder der Türkei in Szarvas neben Spaß und Spiel auch Stärke und Resilienz tanken können

von György Polgár  14.10.2024