Wien

»Vergessen Sie den Vorfall am besten«

Drei Männer griffen eine 19-jährige Studentin in der U-Bahn an und beschimpften sie Foto: imago images/Alex Halada

In Wien ist eine 19-jährige Studentin aus Kärnten antisemitisch beleidigt und anschließend von der Polizei abgewiesen worden.

ANGRIFF Die Judaistik-Studentin, deren Name der Redaktion bekannt ist, sagte am Freitag im österreichischen Rundfunksender Ö1, sie habe in der U-Bahn-Linie 3 ein Buch mit dem Titel »The Jews in the modern world« gelesen, als drei Männer aufgestanden seien und ihr ins Haar gegriffen und daran gezerrt habe. Anschließend sei sie als »Judenschlampe« und »Kindsmörderin« beschimpft worden. Der Vorfall ereignete sich bereits am 17. Mai.

»Ich war sehr geschockt, habe mich dann aber befreien können und bin am Stephansplatz herausgestürmt«, schilderte die Frau den Vorfall. Einer der Fahrgäste stellte den Angreifern - bei denen es sich Einschätzungen des Opfers zufolge um Männer Anfang 30 mit arabischen Hintergrund handelte - noch ein Bein.

Auf der Kärntner Straße sprach sie zwei Polizisten an und schilderte ihnen, was vorgefallen war. Einer der Beamten habe sie zunächst gefragt, ob sie ärztliche Hilfe brauche, dann aber die Frage aufgeworfen, warum sie in der aktuellen Konfliktsituation [im Nahen Osten] in aller Öffentlichkeit ein solches Buch lesen würde, und das so etwas ja provozierend wirken könne.

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Einer der Beamten fragte W., ob sie Jüdin sei. Als die junge Frau dies verneinte, habe man ihr bedeutet, dann könne man ja nicht von Antisemitismus die Rede sein. Sollte sie den Vorfall bei einer Polizeiwache zur Anzeige bringen, hätte sie eine ähnliche Antwort zu erwarten, so der Polizist weiter. »Und dann hat er mir noch gesagt, ich solle das Ganze am besten vergessen«, erinnerte sich Eva W.

UNTERSUCHUNG Da ihr der Vorfall keine Ruhe ließ, entschloss sie sich einige Tage später, doch noch die Wiener Linien, den Betreiber der U-Bahn, zu kontaktieren. Dort erfährt W. aber, dass das Videomaterial mit den Aufzeichnungen aus den Zügen und U-Bahnstationen nur 72 Stunden gespeichert wird und zwischenzeitlich schon überspielt worden war.

Der Präsident der Israelitischen Kultursgemeinde Wien, Oskar Deutsch, sagte, der Vorfall sei gleich »in dreifacher Hinsicht verstörend: Erstens wird eine Studentin attackiert, weil sie ein Buch über das Judentum liest. Ein klarer Fall von Antisemitismus. Zweitens schreitet wieder keiner der Zeugen in der U-Bahn ein. Und obendrauf wird die Betroffene von Polizisten zurückgewiesen.«

UNTERSTÜTZUNG Damit sei wieder einmal offenbar geworden, dass Antisemitismus jeden in der Gesellschaft treffen könne und nicht nur ein jüdisches Problem sei, so Deutsch weiter. Er sei Eva W. dankbar, dass sie den Vorfall gemeldet habe: »Das braucht Überwindung.« Die Studentin werde nun von der Antisemitismus-Meldestelle der IKG unterstützt.

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Auch der Bildungsexperte David Landau kritisierte die Polizei für ihre Untätigkeit scharf. Landau sagte dem »Ö1-Morgenjournal«, ein solcher Angriff sei »ohne Wenn und Aber« antisemitisch motiviert. Das habe nichts damit zu tun, ob das Opfer jüdisch ist oder nicht.

Die Wiener Stadtpolizei hat nach dem Bekanntwerden des Angriffs auf die Studentin eine interne Untersuchung des Sachverhalts angeordnet. W. sagte der Jüdischen Allgemeinen, ihr zweiter Kontakt mit der Polizei sei wesentlich angenehmer verlaufen als der erste, und man habe sich bei ihr für den Vorfall entschuldigt. mth

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