Marokko

Unwillkommene Gäste

Fluchtpunkt Marokko: Fez Foto: Thinkstock

Wie amerikanische und israelische Medien berichten, scheint Marokko seit einigen Jahren immer mehr zu einem Zufluchtsort für international gesuchte Verbrecher aus Israel zu werden. So floh zum Beispiel der Gründer der Jerusalemer Jeschiwa »Shuvu Banim«, Rabbiner Eliezer Berland (76), der in Israel beschuldigt wird, zwei junge Frauen sexuell belästigt zu haben, kürzlich in das Königreich. Gleichzeitig brachte Berland nach Angaben der Jewish Telegraphic Agency (JTA) Hunderte seiner Gefolgsleute mit. Und sein Enkel feierte offenbar sogar seine Hochzeit in Marokko, ohne dass die Polizei Berland behelligte. Nach Protesten der örtlichen jüdischen Gemeinde soll er das Land inzwischen verlassen haben und hält sich dem Vernehmen nach derzeit in Simbabwe auf.

Mafia »Berland war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Er musste wirklich aus Marokko verschwinden«, sagt Sam Ben Cherit, Präsident der weltweiten Bewegung der marokkanischen Juden. Nach Berichten von JTA und der Tageszeitung Haaretz sollen auch israelische Mafiosi in Marokko leben, nach Angaben der Jerusalemer Polizei mehr als zehn. Sie sollen rund 20 Millionen Euro in die dortige Wirtschaft investiert haben. JTA nennt unter anderem Meir Abergil, den Drogenschmuggler Mosche Elgrably sowie Schalom Domrani, der eine führende Figur des organisierten Verbrechens im Süden Israels sein soll. Ein Haaretz-Reporter will Gabi Ben-Harush, der in einen Geldwäscheskandal um eine Handelsbank verwickelt war, »in einer ruhigen Straße von Casablanca« gesehen haben.

Die jüdische Gemeinde in Marokko ist wenig begeistert von diesem Trend. Rund 4000 Juden leben derzeit in dem nordafrikanischen Land. Marokko gilt zwar als israel-freundlich, und jedes Jahr kommen Tausende jüdische Touristen ins Land, doch es bestehen keine diplomatischen Beziehungen – und somit auch kein Auslieferungsabkommen zwischen den beiden Staaten.

Gesetzentwurf Der Zeitpunkt für die Enthüllungen über israelische Mafiosi in Marokko ist denkbar ungünstig. Vor wenigen Wochen haben fünf Parteien einen Gesetzentwurf vorgelegt, demzufolge jegliche Kontakte zu Israel verboten werden sollen. Derzeit prüft der parlamentarische Justizausschuss den Vorschlag. Zu den Befürwortern gehört auch die Partei Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) des amtierenden Premierministers. Zusammen entfallen auf die beteiligten Gruppen 70 Prozent der Sitze im marokkanischen Parlament, was dem Gesetz tatsächlich gewisse Chancen einräumt, eines Tages in Kraft zu treten.

Die Vorlage legt fest, dass wirtschaftliche, politische und kulturelle Kontakte zu Israel mit zwei bis vier Jahren Gefängnis sowie einer Geldstrafe von 10.000 bis 100.000 Euro geahndet werden können. Die jüdische Gemeinde im Land und verschiedene Forschungsinstitute haben die Gesetzesvorlage, die ein schwerer Schlag für Marokkos freundschaftliche Beziehungen zu Israel wäre, scharf kritisiert. Jacky Kadoch, Präsident der Gemeinde von Marrakesch, sagte, die Parteien handelten »irrational«. Er glaube nicht, dass die hetzerische Vorlage umgesetzt wird: »Der Vorschlag kommt niemals durch, da König Mohammed VI. es nicht erlauben wird.«

König Wie Kim Robin Stoller vom Internationalen Institut für Bildung, Sozial- und Antisemitismusforschung in Hamburg erklärt, weisen marokkanische Menschenrechtsaktivisten darauf hin, dass in vielen politischen Fragen, insbesondere in außenpolitischen Belangen, immer noch der König das Sagen hat. »Es besteht die Chance, dass gar nicht erst im Parlament über den Vorschlag abgestimmt wird, vor allem dann, wenn es viel in- und ausländischen Protest dagegen gibt.«

Vor einer Begegnung des marokkanischen Königs mit amerikanischen Diplomaten in Washington sagte Serge Berdugo, Generalsekretär der jüdischen Gemeinde Marokkos, kürzlich, dass das Land Juden gegenüber bisher so tolerant gewesen sei wie kein anderes in der arabischen Welt: »Juden in Marokko sind in der besten Situation, die sie sich vorstellen können.« Diese Aussage soll den USA beweisen, dass das Land den Weg einer sanften Reform gewählt hat, für die religiöse Toleranz ein entscheidender Punkt ist. Das anti-israelische Gesetz würde diesen Eindruck widerlegen.

Frankreich

Serge Klarsfeld: »Wir müssen vorbereitet sein«

Der Holocaust-Überlebende und Nazi-Jäger hat in »Le Figaro« einen dringenden Appell veröffentlicht und erneut für rechte Parteien geworben. Das Judentum sei bedrohter denn je, glaubt er

 25.04.2025

USA

Sharon Osbourne vs. die Anti-Israel-Popkultur

Rock-Veteranin Sharon Osbourne hat sich mit dem irischen Rap-Trio Kneecap angelegt, das offensichtlich meint, mit Hassrede gegen Israel seine Fanbase vergrößern zu können

von Sophie Albers Ben Chamo  25.04.2025

KZ-Gedenkstätte Auschwitz

Israels Präsident Isaac Herzog und Eli Sharabi beim »Marsch der Lebenden«

Auf dem Weg von Auschwitz nach Birkenau sind diesmal auch ehemalige israelische Geiseln der Hamas dabei. Israels Präsident Herzog erinnerte an die weiterhin in Gaza gefangen gehaltenen israelischen Geiseln

 24.04.2025

Griechenland

Restauration des Grauens

In Thessaloniki werden zwei Eisenbahnwaggons aus der Nazizeit restauriert. Zur Erinnerung daran, was 50.000 Menschen angetan wurde

von Wassilis Aswestopoulos  24.04.2025

Tod von Papst Franziskus

Warum Israels Regierung nicht kondoliert hat

Die Hintergründe

von Michael Thaidigsmann  23.04.2025

Ungarn

Die unmögliche Geige

Dies ist die zutiefst berührende Geschichte eines Musikinstruments, das im Todeslager Dachau gebaut und 70 Jahre später unweit vom Balaton wiedergefunden wurde

von György Polgár  23.04.2025

Großbritannien

Haltung zu Israel: Streit beim jüdischen Dachverband

Ein offener Brief, der von der Financial Times veröffentlicht wurde, hat zu Verwerfungen innerhalb des Board of Deputies of British Jews geführt

von Michael Thaidigsmann  22.04.2025

Großbritannien

Genie und Monster

Der Autor Mark Rosenblatt hat eine Abrechnung mit Roald Dahls Judenhass auf die Bühne gebracht. Und wurde nun ausgezeichnet

von Sophie Albers Ben Chamo  22.04.2025

Schweden

Trauer um Walter Frankenstein

Der gebürtige Berliner überlebte den Holocaust in der Illegalität

 22.04.2025