USA

Um Himmels willen, Israel!

Einige Rabbiner verbergen ihre Meinung zum Nahostkonflikt. Foto: Thinkstock

Fast jeder dritte Rabbiner in den USA soll Schwierigkeiten haben, in der Gemeinde seine ehrliche Meinung zum Nahostkonflikt zu äußern. Vor allem pazifistisch eingestellte Berufsanfänger haben Angst vor Nachteilen, wenn sie in Gesprächen über den Konflikt auch Israel kritisieren. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Jewish Council for Public Affairs, einer Organisation, die als Repräsentantin jüdischer Verbände in den USA fungiert.

Unter den Rabbinern, die der Studie zufolge häufig ihre wahren Ansichten zum Nahostkonflikt verbergen, waren laut der Studie 18 Prozent in Wirklichkeit pazifistischer eingestellt, als sie vorgaben, während zwölf Prozent als verkappte Hardliner eingestuft wurden. Als Gründe für ihr Schweigen gaben die Rabbiner neben der Angst vor beruflichen Nachteilen an, sie seien in ihren Synagogengemeinden oder Organisationen bereits heftig für ihre Ansichten kritisiert worden, oder aber, ihr Arbeitgeber beschäftige sich aus Angst vor Kritik und Auseinandersetzung nicht mit dem Nahostkonflikt. Die größte Angst, mit ihrer ehrlichen Haltung anzuecken, hatten die »Pazifisten« sowie Rabbiner, die nach dem Jahr 2000 ordiniert wurden.

establishment Wie weit einige Rabbiner in ihrer Einschätzung des Nahostkonflikts vom Establishment abrücken, versteht man, wenn man sich ansieht, wie die Autoren den Begriff »pazifistisch« – in Deutschland würde man wahrscheinlich eher von »pro-palästinensisch« sprechen – definierten. Sie ordneten Befragte umso eher darunter ein, je vehementer sich diese gegen Siedlungen aussprachen, Israel für das Scheitern des Friedensprozesses verantwortlich machten, Israels Engagement für den Friedensprozess unglaubwürdig fanden und glaubten, dass die Palästinenser aufrichtig Frieden wollen.

Das heiße nicht, dass diese Rabbiner nicht um Israel besorgt seien, sagt Steven Cohen, einer der beiden Autoren der Studie, im Gegenteil: »Wir streiten über Israel, weil uns dieses Land wichtig ist«, so Cohen. »Und Rabbiner fühlen sich von allen Juden am stärksten mit ihm verbunden.« Die überwältigende Mehrheit der Befragten habe Israel mehrmals besucht, die meisten hätten einige Zeit dort studiert. Sie beschäftigten sich in ihren Gottesdiensten mit der Bedeutung des Landes.

konflikt Doch wie andere jüngere Juden kämen Rabbiner heute auch manchmal desillusioniert von dort zurück. »Es ist schade, wenn gerade diese wichtigen Stimmen fehlen«, sagt Cohen. Vor allem junge Juden, von denen sich einer anderen Untersuchung zufolge immer weniger mit Israel verbunden fühlen, spreche man mit Offenheit besser an. »Wir beobachten einen Ruck nach links unter den jungen Leuten, sie sehen eher beide Seiten im Konflikt«, sagt er, »es wäre sehr nützlich, die Diskussion über Israel zu öffnen und so auch diese jungen Juden anzusprechen und einzubeziehen.« Es schade allen, wenn Rabbiner mit starken Positionen sich aus Furcht vor Nachteilen zurückzögen. Das gelte auch für die andere Seite.

Und auf der stehen wahrscheinlich mehr als die zwölf Prozent, die in der Studie genannt werden. Wie es dort heißt, sind deren Ergebnisse nicht repräsentativ. Denn orthodoxe Rabbiner sind darin derart minimal vertreten, dass man realistischerweise von einer Befragung unter nichtorthodoxen Rabbinern sprechen muss. Und sieht man sich eine linksliberale Stadt wie San Francisco an, weiß man, dass Engstirnigkeit keine politischen Grenzen kennt.

Auch der Druck auf Rabbiner, die sich vermeintlich rechts vom Mainstream bewegen, kann immens sein. So ist es vorgekommen, dass Gemeindemitglieder Gottesdienste verlassen, wenn sich Rabbiner als Zionisten outen, oder aus der Gemeinde austreten, wenn neben der amerikanischen Flagge in der Synagoge eine israelische stehen soll.

Ukraine

Alles eine Frage der Herkunft

Wie ein Korruptionsskandal den antisemitischen Narrativen in Russland Vorschub leistet

von Alex Friedman  04.12.2025

Berlin

Prozess um Attentat am Holocaust-Mahnmal fortgesetzt

Das überlebende Opfer, der 31-jährige spanische Tourist Iker M., wollte am Mittwoch persönlich vor dem Kammergericht aussagen

 03.12.2025

Sydney

Jüdische Organisationen prangern »Geißel« Antisemitismus an

Im Fokus steht dieses Mal Australien. Es ist Gastgeber einer Konferenz der internationalen jüdischen Initiative »J7«. Sie stellt Zahlen zu Judenhass auf dem Kontinent vor - und spricht von historischen Höchstständen

von Leticia Witte  02.12.2025

New York

Das sind die Rabbiner in Mamdanis Team

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger hat Mamdani keinen Ortodoxen in seine Übergangsausschüsse berufen – eine Lücke, die bereits im Wahlkampf sichtbar wurde

 02.12.2025

Dänemark

Männer sollen 760.000 Euro für die Hamas gesammelt haben

Am Dienstagmorgen nahm die Polizei einen 28-Jährigen fest. Sein mutmaßlicher Komplize sitzt bereits in U-Haft

 02.12.2025

Italien

Francesca Albanese und ihre »Mahnung« an die Presse

In Turin wurden die Redaktionsräume von »La Stampa« von Demonstranten verwüstet. Die Reaktion der UN-Sonderbeauftragten für die Palästinensergebiete verstörte viele

von Michael Thaidigsmann  02.12.2025

Jüdisches Leben im Libanon

Noch immer hat Beirut eine Synagoge, aber die Gläubigen nehmen ab

Einst war Libanon ihr Zufluchtsort, dann kam der Bürgerkrieg, und viele gingen. Doch nach wie vor gehören Juden zu den 18 anerkannten Religionsgruppen im Libanon - auch wenn nur noch wenige im Land leben

von Andrea Krogmann  02.12.2025

Bereit fürs ICZ-Präsidium: Noëmi van Gelder, Arthur Braunschweig und Edi Rosenstein (v.l.n.r.)

Interview

»Meinungsvielfalt gilt es auszuhalten« 

Am 8. Dezember wählt die Gemeindeversammlung der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich ein neues Präsidium. Ein Gespräch mit den Kandidaten über Herausforderungen an die Gemeinde, Grabenkämpfe und Visionen

von Nicole Dreyfus  01.12.2025

Italien

Der Anti-Banksy

AleXsandro Palombo unterstützt mit seiner Kunst Israel, anstatt es zu verdammen

von Federica Matteoni  01.12.2025