Herr Cywinski, die zentralen Gedenkfeiern zum 70. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz-Birkenau werden an zwei Orten stattfinden: in Auschwitz und in Prag. Fühlen Sie sich dadurch zurückgesetzt?
Ich werde die Prager Initiative nicht kommentieren. Die Absicht der Initiatoren erschließt sich mir nicht ganz. Am 27. Januar werden an vielen Orten in der Welt Gedenkveranstaltungen organisiert. Bei all dem scheint es mir eine seltsame Idee zu sein, eine direkte Konkurrenzveranstaltung zu der unsrigen zu organisieren. Die ehemaligen Häftlinge und Überlebenden von Auschwitz jedenfalls werden an diesem Tag vor dem Todestor von Birkenau stehen.
Wie planen Sie diesmal, in der Gedenkstätte an den Völkermord an den europäischen Juden zu erinnern?
Im Mittelpunkt des Jahrestages sollen die Überlebenden stehen. Sie sind, solange sie noch unter uns weilen, die wichtigsten Zeugen dieser größten Hölle auf Erden. An diesem Tag werden sie uns davon erzählen. Und wir, die Nachkriegsgenerationen, werden uns bemühen, ihnen genau zuzuhören.
Wird für die ehemaligen Häftlinge, die aus aller Welt noch einmal in das frühere KZ kommen, ein eigenes Programm vorbereitet?
Jeder ehemalige Häftling, der sein Kommen angekündigt hat, kann ein Familienmitglied mit in das Zelt nehmen, in dem die Gedenkfeiern stattfinden. Wir bemühen uns, alles so gut wie möglich vorzubereiten und dann insbesondere jenen Überlebenden zu helfen, die individuell anreisen, also nicht mit einer Delegation.
Die Stiftung Auschwitz-Birkenau soll die Gedenkstätte jährlich mit einer bestimmten Geldsumme unterstützen. Ist das Stammkapital der Stiftung inzwischen zusammengekommen?
Wir nähern uns allmählich der zuvor festgelegten Summe von 120 Millionen Euro. Inzwischen sind wir auf der Suche nach Einzelpersonen, die sich am Aufbau der Stiftung beteiligen. Es fehlen nur noch wenige Millionen Euro.
Wie werden wir in zehn Jahren an die Schoa und die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau erinnern?
Die Wahrheit über Auschwitz und das Erinnern an die Schoa werden wahrscheinlich ein wichtiges Kulturerbe der Nachkriegsgenerationen sein. Damit kommt eine riesige Verantwortung auf uns zu!
Mit dem Direktor der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau sprach Gabriele Lesser.