Judenhass ist ein jahrtausendealtes Phänomen, das selbst nach der Schoa kein Ende nahm – auch in Deutschland nicht. Wo die Bundesrepublik in dieser Frage heute steht, das beleuchtet die neue ZDF-Reportage »Judenhass und das Feindbild Israel – Islamischer Antisemitismus in Deutschland.« Der Film zeichnet ein beunruhigendes Abbild der Realität.
Antisemitismus ist gegenwärtig - und er wächst. Das belegen nicht nur Ereignisse wie der Anschlag auf die Synagoge in Halle 2019 oder das versuchte Attentat auf die Jüdische Gemeinde in Hagen, sondern auch die Zahlen. In der ZDF-Reportage werden sie nochmals vorgelegt: 2021 gab es hierzulande so viele judenfeindliche Straftaten wie nie zuvor seit Kriegsende.
Der Film legt den Finger in die Wunde und skizziert dabei ein Problem, worüber noch immer zu wenige sprechen: der zunehmende muslimische Antisemitismus.
»Angreifer sind bei uns weitestgehend Gegner mit einem muslimisch-arabischen Hintergrund.«
Alon Meyer, Makkabi-Präsident
Davon betroffen ist auch das Team des jüdischen Fußballvereins Makkabi Deutschland. In der Reportage berichtet Makkabi-Präsident Alon Meyer über gewaltsam ausgeuferte Spiele und hält dabei fest: »Angreifer sind bei uns weitestgehend Gegner mit einem muslimisch-arabischen Hintergrund. Das ist das, was wir spüren.«
Konflikt Islamischer Antisemitismus zeigt sich vor allem immer dann, wenn sich die Konflikte im Nahen Osten zuspitzen. Aufnahmen von propalästinensischen Demonstrationen belegen dies immer wieder. Das betont auch Eren Güvercin, Mitglied der Deutschen Islamkonferenz, der sich um den Dialog zwischen Staat und Muslimen bemüht.
Welch folgenschwere Ausmaße antisemitische Attacken inzwischen annehmen, zeigt der Film anhand eines Falles, der sich im September 2021 in der Hamburger Innenstadt ereignete. Andreas Roger nahm damals an einer Mahnwache gegen Antisemitismus teil, als sich plötzlich zwei Jugendliche näherten. Einer von ihnen – ein 16-Jähriger mit syrischen Wurzeln – schlug den 67-jährigen Juden vor Ort, auf offener Straße zusammen. Roger wurde dabei so schwer verletzt, dass er auf dem rechten Auge erblindete. Wie es ihm heute geht, darüber sprach er vor wenigen Wochen auch mit der Jüdischen Allgemeinen.
Dass der Hass auf Juden unter Muslimen zugenommen hat, bestätigt auch Stephan Kramer, Präsident des Verfassungsschutzes in Thüringen und ehemaliger Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland. Er sagt: »Der Antisemitismus gehört zur DNA des Islamismus.« Zudem: In Ländern, wo der Islamismus zur Staatsräson geworden ist, würden auch Kinder von klein auf im Antisemitismus erzogen werden. Juden, aber auch der Staat Israel werden so zum allgegenwärtigen Feindbild in jenen Kulturen, erklärt Kramer.
SOzialen Medien Judenhass wird aber nicht nur auf offener Straße gelebt, sondern auch und insbesondere in den Sozialen Medien. Welche Narrative dort reproduziert werden, hat die weltweit agierende Organisation Anti-Defamation League (ADL) mit Sitz in New York untersucht. Sie tritt gegen Diskriminierung und Diffamierung von Juden ein. Der ADL-Direktor Jonathan Greenblatt erklärt in der ZDF-Reportage, dass Antisemitismus auch in den USA zunehme. Angekurbelt werde der Judenhass zudem in erster Linie durch Hetze im Netz, so Greenblatt.
»Ich glaube, dass der Islamische Antisemitismus stark unterschätzt wird.«
Ulrike Becker, Leiterin des Mideast Freedom Forum Berlin
Eine aktuelle ADL-Studie legt offen, wie antisemitische Inhalte online genutzt und verbreitet werden. Dabei zeigt sich die immer gleiche Erzählung: Die Juden seien an allem schuld, würden hinter allem Bösen stecken. Jüngstes Beispiel: Der Ukraine-Krieg, dessen Strippenzieher – Überraschung – auch wieder die Juden sein sollen.
Ulrike Becker, Historikerin und Leiterin des Mideast Freedom Forum Berlin, liefert den abschließenden Ausblick: »Ich glaube, dass der Islamische Antisemitismus stark unterschätzt wird.« Denn es gehe bei ihm nicht nur um den Hass gegen Juden und den jüdischen Staat. »Da steckt die Vorstellung dahinter, dass Zionisten auf der ganzen Welt sich verschworen haben gegen Muslime.« In diesem Identitätskampf liegt laut Becker die große Gefahr.