Von außen und auf den ersten Blick wirken die dunkelbraunen Eichentüren der Nozyk-Synagoge in Polens Hauptstadt Warschau, als seien sie für die Ewigkeit gezimmert: schwer und massiv. Doch die Gemeindevorsitzende Sylwia Kedzierska-Jasik schüttelt den Kopf: »Sehen Sie nur – die Sonnenstrahlen fallen durch die Risse in den Vorraum der Synagoge. Und die rechte Flügeltür hängt schon ganz schief in den Angeln.«
Piotr Rytka-Zandberg, der sich seit mehr als zwei Jahrzehnten um die Immobilien der jüdischen Gemeinde kümmert, nickt: »So kann das nicht bleiben. Die Renovierung der vier Eingangstüren ist überfällig!« Die 46-jährige Kedzierska-Jasik fährt mit der Hand durch das Sonnenlicht: »In ein paar Monaten werden die Türen wieder richtig schließen und so aussehen wie die kunstvoll gearbeiteten Originaltüren.« Sie macht eine kleine Pause und fügt hinzu: »Dank der Deutschen.«
Denn das Auswärtige Amt in Berlin werde der jüdischen Gemeinde in Warschau einen Zuschuss in Höhe von 50.000 Euro aus dem »Fonds für Kulturerhaltung« überweisen. Davon könne der größte Teil der Renovierungskosten für die Eingangstüren der Nozyk-Synagoge bezahlt werden.
»Das Ganze hat eine Vorgeschichte«, beginnt die Juristin Kedzierska-Jasik zu erzählen. »Als Frank-Walter Steinmeier im April 2023 in Warschau war und hier eine Rede zum Warschauer Ghettoaufstand hielt, besuchte er gemeinsam mit dem israelischen Präsidenten Isaac Herzog und dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda auch unsere Gemeinde.«
»Für uns sind die deutschen Gelder für die Türen unserer Synagoge ein Durchbruch«, sagt die Gemeindevorsitzende Sylwia Kedzierska-Jasik.
Dabei habe Polens orthodoxer Oberrabbiner Michael Schudrich vom Leben der aktuell 800 Gemeindemitglieder in Warschau erzählt und vom schweren Erbe der einst 350.000 Warschauer Juden. »Das muss man sich einmal vorstellen«, wirft Piotr Rytka-Zandberg ein: »Fast jeder dritte Warschauer war Jude oder Jüdin. 1945, nach dem Abzug der deutschen Besatzer, waren fast alle tot.« Von den rund 900 Betstuben und Synagogen überdauerte nur die private Nozyk-Synagoge, und sie dient bis heute als Bethaus.
Sie hätten schon damals den Eindruck gehabt, dass sich aus dem Besuch Steinmeiers ein intensiverer Kontakt ergeben könnte. »Deshalb haben wir es gewagt, uns mit der Bitte um Unterstützung an die deutsche Botschaft zu wenden.« Als die Zusage kam, überbrachte Botschafter Viktor Elbling die gute Nachricht sogar persönlich.
Sylwia Kedzierska-Jasik geht die große Treppe zur Frauenempore hoch, lehnt sich kurz über die Balustrade und blickt in den Betsaal für die Männer hinunter. »Für uns Juden hier in Warschau ist die Nozyk-Synagoge das Wichtigste überhaupt, auch wenn wir hier gar nicht beten«, sagt sie. »Ich zum Beispiel gehöre zum liberalen Flügel der Gemeinde und bete in der Synagoge an der Jerusalemer Allee. Piotr ist gar nicht religiös. Aber – es ist diese Synagoge, die den Krieg überdauert hat und die uns mit unseren Vorfahren verbindet.«
Piotr Rytka-Zandberg läuft voraus in den Verwaltungsanbau und öffnet jede Tür mit einer Magnetstreifenkarte. »Seit dem letzten Anschlag auf die Synagoge mit einem Molotowcocktail sind wir noch einmal vorsichtiger geworden«, erläutert er entschuldigend. »Für uns sind die deutschen Gelder für die Türen unserer Synagoge ein Durchbruch«, sagt Kedzierska-Jasik. »Zum ersten Mal denken die Politiker in Berlin an die heute in Warschau lebenden Juden.« Rytka-Zandberg lacht: »Vielleicht werden wir demnächst sogar einmal zum Sommerfest in den Garten der deutschen Botschaft eingeladen.«