Filmliebhaber kennen ihn als Soundtrack-Komponisten für Blockbuster wie »Con Air« oder »Armageddon«. Rockfans ist der Südafrikaner Trevor Rabin spätestens seit 1983 ein Begriff. Als Gitarrist und Songwriter der Progressive-Rock-Giganten Yes bescherte Rabin der britischen Band ihren größten Hit: »Owner Of A Lonely Heart«. Nun meldet sich der 69-jährige Jude überraschend mit seinem ersten Soloalbum seit 34 Jahren zurück.
Eigentlich hatte er nur vorgehabt, eine Handvoll Soundtracks zu produzieren. »Und auf einmal sind 30 Jahre vergangen und ich habe 50 Filme gemacht. Ich denke nur: Wo ist die Zeit geblieben?«, sagt Rabin im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Auf einer Welttournee mit den ehemaligen Yes-Kollegen Jon Anderson und Rick Wakeman packte es ihn. »Ich dachte mir, ich muss so bald wie möglich ein Soloalbum aufnehmen.« Er verordnete sich selbst eine Filmpause und ging ins Studio in seinem Haus in Hollywood.
Guter Zeitpunkt »Rio« heißt das Album, auf dem der Sänger und Multiinstrumentalist fast alle Instrumente selbst spielt und seine ganze musikalische Bandbreite zeigt. Die zuvor absolvierte Tournee war dafür hilfreich. »Glücklicherweise war meine Stimme nach 200 oder wie vielen Shows mit Rick und John gut im Training. Deshalb war es ein guter Zeitpunkt für die Aufnahmen«, sagt Rabin. »Ich war in ziemlich guter Verfassung. Meine Finger waren gut in Form, also war die Zeit genau richtig.«
Das Album beginnt mit bombastischem Rock - in »Big Mistakes« singt Rabin über seine wilde musikalische Jugend, die ihn letztlich zur Band Rabbitt und später zu Yes führte. »Push« ist ein progressiver Siebenminüter, der anfangs stark an seine Zeit mit den britischen Prog-Ikonen erinnert. Keine Frage, Rabin hatte größeren Einfluss auf den Sound von Yes, als die Band auf den Musiker hatte. Aber es war eine für beide Seiten fruchtbare Zusammenarbeit von 1983 bis 1995.
In »Oklahoma«, einer vielschichtigen Ballade über den Terroranschlag von 1995 in der US-Stadt, kommt der Filmkomponist durch. Wenn Rabin zu den wuchtigen Klängen eines Orchesters seine E-Gitarre spielt, hat das ein wenig Hollywood-Feeling. Das wirkt vielleicht etwas dick aufgetragen, ist aber sehr schön.
Erstaunlich gut Mit »Goodbye« ist dem 69-Jährigen sogar eine Country/Bluegrass-Nummer gelungen. »Ich liebe die großen Country-Musiker«, sagt Rabin. »Und ich dachte mir: Wisst ihr was? Auf diesem Album sagt mir niemand, was ich zu tun habe, denn ich mache das ja ganz allein für mich.« Der Refrain ist hingegen eher im Classic Rock verortet. Diese Kombination der Stilrichtungen passt erstaunlich gut zusammen.
Die Mehrheit der Songs auf »Rio«, das Rabin nach seiner Enkeltochter benannt hat, sind zeitlose Rocksongs mit progressivem Einschlag und der bereits erwähnten Yes-Note. Dieses Album hätte in den 1980er Jahren genauso gut funktioniert wie heute.
Dass der vielseitige Musiker nach der Reunion mit Anderson und Wakeman noch einmal unter dem Yes-Namen auftritt, ist übrigens nicht zu erwarten, zumal außer Gitarrist Steve Howe keiner seiner alten Bandkollegen noch Yes-Mitglied ist. »Die Tür ist mit einem dicken Balken versiegelt«, versichert er. Statt dessen denkt Trevor Rabin schon an sein nächstes Soloalbum und will auch auf Tournee gehen.
Rabins Urgroßvater väterlicherseits war ein Kantor aus Litauen, sein Großvater Gershon Rabinowitz ein koscherer Schlachter, der im 19. Jahrhundert in Südafrika eintraf. Der Anti-Apartheid-Aktivist Donald Woods, der auch durch einen biografischen Kinofilm bekannt wurde, ist Rabins Cousin.
Der Gitarrist sagte einst, seine gesamte Familie habe sich gegen die Rassentrennung engagiert. Jüdische Feiertage seien zu Hause stets begangen worden. (mit ja)