Ich gehöre zu beiden auserwählten Völkern», sagt Pieter-Dirk Uys und kann sich ein sarkastisches Lachen nicht verkneifen. Seit seiner frühen Jugend bringt er genau jenen Fundamentalismus auf die Bühne, der seine Herkunft begleitet und seine Kindheit geprägt hat.
1945 wurde Uys als Sohn einer Jüdin und eines weißen Südafrikaners in Kapstadt geboren. Nur drei Jahre später kam in der Republik am Kap die Nationale Partei (NP) an die Macht. Deren Führungskader waren überwiegend Afrikaans sprechende Buren, die Nachfahren europäischer Siedler. Als eine der ersten Amtshandlungen führte das konservative Regime die Rassentrennung ein. Indigene Südafrikaner waren seitdem an den Stadtrand oder in die fern abgelegenen Homelands verbannt.
Uys verbrachte seine Jugend in der Blütezeit der Apartheid. Auch seine Familie war konservativ. Wortlos wie die meisten weißen Familien fügte sie sich in das System ein, das ihnen aufgrund ihrer Hautfarbe Sicherheit, Jobs und Wohlstand versprach.
Dramaturgie Früh weigerte sich Uys, die Trennung von Schwarz und Weiß als von Gott gegebene Gesellschaftsordnung zu betrachten. Bei seinem Studium an der Universität Kapstadt sammelte er erste Erfahrungen als Schauspieler. Später, an der Londoner Filmschule, verfeinerte er seine Dramaturgie.
Zurück in Südafrika, beschloss er Anfang der 70er-Jahre, seine Bühnenerfahrung gegen die drakonischen Rassengesetze zu bündeln. Mit «Evita Bezuidenhout» schuf er eine Kunstfigur, die im Fernsehen und auf der Bühne das Regime kritisierte – jedoch unter dem Radar der Zensoren blieb. Viel zu lächerlich schien die schusselige Diva, um eine ernsthafte Bedrohung zu sein.
Doch unterschwellig brodelte es. Freiheitskämpfer wie Nelson Mandela arbeiteten akribisch daran, die weiße Regierung zu stürzen. Auch international hagelte es Sanktionen gegen das Apartheid-Regime. Evita Bezuidenhout wurde bald zur Stimme des weißen Widerstandskampfes. Im Laufe der Jahre brachte Uys weitere Kunstfiguren auf die Bühne, die glühende Apartheid-Anhänger parodierten. Nach den ersten demokratischen Wahlen im Jahr 1994 bezeichnete Mandela den Bühnenkünstler Uys dafür als «meinen Helden».
Wurzeln Ein Rebell gegen das weiße Minderheitsregime wurde Uys trotz – oder gerade wegen – seines konservativen Elternhauses. Anders als die meisten jüdischen Südafrikaner hat der Satiriker und Travestiekünstler seine Wurzeln nicht in Osteuropa, sondern in Deutschland. «Meine Mutter erzählte mir oft von Charlottenburg, meiner Wiener Großmutter und von Schnitzel», sagt Uys auf Deutsch mit weichem englischen Akzent. Doch mit keinem Wort habe sie erwähnt, dass sie 1937, weil sie Jüdin war, aus Deutschland fliehen musste. Das fand Uys’ Schwester erst 2003 heraus, als sie den Konzertflügel der Mutter dem Jüdischen Museum Berlin spendete und die Dokumente der Mutter durchsuchte.
Weshalb der Sohn und die Tochter nichts von der Flucht der Mutter wussten? «Wir haben nie gefragt», sagt Pieter-Dirk Uys. «Da liegt das Problem: Südafrikanische Kinder spüren, dass sie keine Fragen stellen dürfen – das war damals so und ist heute nicht anders.»
Ebendiese Ignoranz war es, die Uys auch zum Aids-Aktivisten werden ließ. Südafrikas Präsident Thabo Mbeki hatte während seiner Regierungszeit von 1999 bis 2008 kategorisch den Zusammenhang zwischen HIV und Aids geleugnet. Aids-Kranke sollten, statt Pillen zu schlucken, besser eine Diät aus Knoblauch, Zitrone, Roter Bete und Olivenöl halten, empfahl Mbekis Gesundheitsminister. Dafür erntete er weltweit Kritik. Studien der Universitäten Harvard und Kapstadt schätzen, dass Mbekis Aids-Politik mehr als 330.000 Tote und 171.000 Neuinfektionen forderte.
Aids Unter Mbeki brach Uys als einer der Ersten das Schweigen über die Aids-Epidemie. Selbst im Alter von 70 besucht er noch regelmäßig Schulen, um Kinder über die Immunschwächekrankheit aufzuklären – wenn nötig, auch mit Perücke als Evita Bezuidenhout. Die kennen die meisten Schüler aus dem Fernsehen.
«Rassismus ist wie Aids», sagt Uys. «Die beiden zu bekämpfen, heißt, sich bewusst zu machen, dass keine Kur dagegen hilft, sondern nur eine langfristige Behandlung.» Davon ist auch Uys’ Heimat Südafrika nicht ausgenommen, wie mehrere rassistische Vorfälle in jüngster Zeit belegen. Das Wiederaufflammen der dunklen Vergangenheit provozierte indessen eine Debatte um die Minderheitensprache Afrikaans und die Zukunft weißer Südafrikaner im Land.
Laut Uys sei die Diskussion längst überfällig. «Unsere Schonfrist hat viel zu lange gedauert.» Die Apartheid sei eine armselige Kopie der Nazi-Doktrin gewesen, sagt Uys. «Aber es macht uns nicht zu besseren Menschen, dass wir weniger Schwarze töteten als die Nazis Juden. Weiße Südafrikaner dachten nie, dass sie ungeschoren davonkommen würden. Aber genau das war der Fall.»
parallelen Uys lebt in zwei Welten. Jedes Jahr reist er nach Berlin, den Geburtsort seiner Mutter, und trifft deutsche Freunde. Bald will er auch in Deutschland auftreten. Bei seinem jüngsten Besuch sei er unweigerlich auf Parallelen zwischen Südafrika und Deutschland gestoßen, sagt er. «Es grenzt an Ironie. Dieselben Witze, die ich damals gegen die Apartheid eingesetzt habe, könnte ich heute in Europa erzählen. Ich müsste nur Begriffe wie ›schwarz‹ und ›farbig‹ durch ›Muslim‹ ersetzen und hätte dasselbe Konzept: Wir wollen die hier nicht haben, sondern dort, wo wir sie kontrollieren können. Darum ging es doch bei der Apartheid.»
Verzweifeln wird Uys jedoch weder an sozialen Missständen in Südafrika noch in Deutschland. Dies scheint insgeheim sein Lebensmotto zu sein. «Ich versuche, die Balance zu halten: 49 Prozent Wut und 51 Prozent Unterhaltung.»