Nachdem das KZ Buchenwald im April 1945 von der US-amerikanischen Armee befreit worden war, leisteten die Überlebenden einen Schwur: »Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.«
Das war auch der Geist, in dem das »Internationale Komitee Buchenwald – Dora und Kommandos« gegründet wurde, das seitdem die Interessen der Überlebenden der Lager vertritt. Mit Boris Romantschenko wurde nun eine wichtige Stimme des Komitees von der russischen Armee getötet.
rakete Am vergangenen Freitag schlug eine Rakete in das Gebäude in Charkiw ein, in dem Romantschenko wohnte, und riss den 96-Jährigen in den Tod. Das berichtete seine Enkelin, die sich immer noch in der umkämpften Stadt aufhält. Lange war Romantschenko als Vizepräsident des Internationalen Komitees in der Ukraine aktiv und nahm wiederholt an Gedenkveranstaltungen in Buchenwald teil.
Geboren wurde er 1926 in der Nähe von Sumy im Nordosten der Ukraine. Ab 1942 musste er in Deutschland Zwangsarbeit leisten und wurde nach einem Fluchtversuch ins KZ Buchenwald deportiert. In der Folge überlebte er auch die KZs Mittelbau-Dora sowie Bergen-Belsen.
reaktionen Romantschenkos gewaltvoller Tod löste weltweit Betroffenheit aus. Das Internationale Holocaust-Komitee schrieb: »Für Überlebende des Holocaust ist der Tod ihres Leidensgenossen Boris Romantschenko endgültig zum Fanal eines verbrecherischen Krieges geworden, den Putin tagtäglich in die Ukraine trägt.« Im Deutschen Bundestag gedachte man des Toten mit einer Schweigeminute.
»Wir trauern um einen engen Freund«, verkündete die Gedenkstätte Buchenwald, die zuerst von seinem Tod erfahren hatte, in einer Pressemitteilung. Und weiter: »Der entsetzliche Tod von Boris Romantschenko zeigt, wie bedrohlich der Krieg in der Ukraine auch für die KZ-Überlebenden ist.«
Geboren wurde Boris Romantschenko 1926 in der Nähe von Sumy im Nordosten der Ukraine. Ab 1942 musste er in Deutschland Zwangsarbeit leisten und wurde nach einem Fluchtversuch ins KZ Buchenwald deportiert.
Nicht nur in Buchenwald macht man sich Sorgen um die etwa 42.000 heute noch lebenden ukrainischen Opfer der Verfolgung durch die Nationalsozialisten, darunter geschätzt 10000 jüdische Schoa-Überlebende. Etwa 40 deutsche NS-Gedenkstätten haben sich in Anbetracht des Krieges zu einem Hilfsnetzwerk zusammengetan, um den hochbetagten Menschen in der Ukraine zu helfen.
HILFE »Weil die meisten Überlebenden in mehreren KZs waren, macht es Sinn, dass wir unsere Informationen zu deren Verbleib miteinander teilen«, meint Rikola-Gunnar Lüttgenau, der Pressesprecher der Gedenkstätte Buchenwald, die sich an dem Hilfsbündnis beteiligt. Außerdem arbeite man mit dem gemeinnützigen Verein »Kontakte-Kontakty« zusammen, der über hervorragende Verbindungen in die Ukraine verfüge. Mit vereinten Kräften und unterstützt von privaten Spenden will man nun den in der Ukraine verbliebenen Überlebenden helfen. »Wir organisieren, was nötig ist, je nach Bedarf: Transport, Nahrung oder Kleidung«, sagt Rikola-Gunnar Lüttgenau.
Einige Betroffene würden es aber im Moment vorziehen, in der Ukraine zu bleiben. Etwa die beiden ehemaligen Buchenwald-Insassen Stanislav Kaunov und Petro Mishchuk, die in ihren Kellern Schutz gesucht haben und nicht unmittelbar an der Kriegsfront leben. Anastasia Gulej, die Auschwitz überlebte, konnte dagegen überzeugt werden, ihre Heimatstadt Kiew zu verlassen. Die 96-Jährige und ihre Familie sind nun in Sicherheit in Naumburg.
Bei Boris Romantschenko kam diese Hilfe nicht mehr an. Die Welt hat mit ihm einen wichtigen Zeugen der NS-Verbrechen verloren. Eine Woche vor seinem Tod veröffentlichte das Internationale Buchenwald-Komitee eine Verurteilung des russischen Angriffs auf die Ukraine. Darin hieß es: »Im Namen des Schwures von Buchenwald, im Namen der Charta der Vereinten Nationen, des Friedens und des Lebens fordern wir: Ende mit dem Krieg in der Ukraine!«