Johannesburg

Terroristin auf dem Straßenschild?

Leila Chaled 1970 Foto: IMAGO/TT

Johannesburg

Terroristin auf dem Straßenschild?

Eine Hauptverkehrsstraße soll nach der Flugzeugentführerin Leila Chaled benannt werden

von Michael Thaidigsmann  16.10.2024 17:43 Uhr

Die Idee ist nicht neu, sie wurde bereits 2018 angeregt und im Stadtparlament diskutiert. Jetzt hat sich die Stadtverwaltung von Südafrikas Metropole Johannesburg offenbar entschlossen, tatsächlich eine Straße nach der palästinensischen Terroristin Leila Chaled zu benennen.

Die heute 80-jährige Antisemitin brachte es Ende der 60er- und Anfang der 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts zu weltweiter Bekanntheit, weil sie an mehreren terroristischen Anschlägen gegen Israelis beteiligt war, darunter die Entführung von gleich zwei Flugzeugen.

Im August 1969 entführte Chaled ein Flugzeug der Airline »Trans World Airline« auf dem Weg von Rom nach Tel Aviv. Ein Jahr später war sie an dem Versuch beteiligt, einen El-Al-Flug von Amsterdam nach New York City zu kapern. Ihr Komplize schoss auf ein Mitglied der Crew und wurde bei der Stürmung des Fliegers in London erschossen, Chaled überlebte. Sie wurde verhaftet und kam später im Austausch gegen von ihrer Organisation entführte Zivilisten frei.

Heute lebt sie in Jordaniens Hauptstadt Amman und hält weltweit Vorträge. Auch in Deutschland war sie schon zu Gast: 2016 wurde Chaled nach Wuppertal eingeladen.

Ex-Bürgermeister nennt Chaled »Freiheitskämpferin«

In einem Interview nach den Massakern der Hamas vom 7. Oktober sagte die 1944 in Haifa geborene Chaled: »Wir sind bereit, mit unserem Blut und Fleisch, mit unseren Familien zu bezahlen, um dieses Land zu befreien. Solange es die Besatzung gibt, wird es Widerstand geben.«

Für den ehemaligen Johannesburger Bürgermeister Thapelo Amad sind Chaleds Worte und Taten jedoch kein Grund, sie nicht zu ehren – im Gegenteil. Amad nennt die ehemalige Terroristin eine »Freiheitskämpferin«.

Der Vorschlag für die Umbenennung des Sandton Drive in Leila Khaled Drive kam ursprünglich von ihm und der propalästinensischen Kleinpartei Al Jama-ah, die auch im Stadtrat von Johannesburg vertreten ist. Er wird aber auch von der Regierungspartei, dem African National Congress (ANC), unterstützt. Jetzt soll die Namensänderung erneut in Betracht gezogen werden - die Bürger von Johannesburg haben noch bis zum heutigen Montag Zeit, etwaige Einwände kundzutun.

Die South African Zionist Federation (SAZF) nannte das Vorhaben bereits einen »Affront gegen friedliebende Südafrikaner« und eine »absichtliche Provokation« der jüdischen Gemeinde in Johannesburg. Die meisten der rund 50.000 Juden des Landes leben in der Stadt mit ihren 5,6 Millionen Einwohnern.

Doch es gibt wohl noch eine Stoßrichtung: Am Sandton Drive, einer der bekanntesten Adressen der Stadt, hat auch das amerikanische Konsulat seinen Sitz. Und für die USA ist Leila Chaled ebenso wie für Israel ganz klar eine Terroristin, auch wenn sie mittlerweile dem bewaffneten Kampf abgeschworen und sich mehr auf Vorträge verlegt hat.

Mittlerweile hält die heute 80-Jährige Chaled weltweit VorträgeFoto: imago/CHROMORANGE

Auch Fana Mkhonza, Stadträtin der Christdemokratischen Partei, gab zu bedenken, dass die ehemalige Terroristin die Ehrung nicht verdient habe. »So sehr Frau Chaled von einem kleinen Teil der südafrikanischen Gesellschaft als Freiheitskämpferin angesehen wird: Sie setzt sich für die palästinensische Sache ein und nicht für die Entwicklung von Johannesburg.« Sie könne in der Umbenennung »keine Toleranz, Versöhnung und Frieden« erkennen, erklärte Mkhonza.

Lesen Sie auch

Amad sieht das ganz anders. »Wir sollten internationale Persönlichkeiten, die für Gerechtigkeit und Freiheit gekämpft haben, nicht ignorieren«, sagte er laut der Nachrichtenagentur »Associated Press«. Die Umbenennung würde Solidarität mit dem palästinensischen Volk zeigen und eine Anerkennung seines Kampfes sein, betonte er. 2006 hatte Leila Chaled sich in Johannesburg mit dem früheren Präsidenten und Gründervater des modernen Südafrikas, Nelson Mandela, getroffen.

Für die SAZF sind die Pläne dagegen schlicht rechtswidrig. Auch das südafrikanische Gesetz schreibe den Schutz diplomatischer Einrichtungen und die Verhinderung der Beeinträchtigung ihrer Würde vor. »Dieser Vorschlag, der das amerikanische Konsulat zwingen würde, seine Adresse in die einer Person zu ändern, die als Terroristin eingestuft wird, ist eine diplomatische Beleidigung, die weitreichende Folgen für die internationalen Beziehungen und Investitionen Südafrikas haben könnte«, hieß es in einer Erklärung der Organisation.

USA

Der Lautsprecher

Howard Lutnick gibt sich als Architekt der amerikanischen Zollpolitik. Doch der Handelsminister macht sich mit seiner aggressiven Art im Weißen Haus zunehmend Feinde

von Sebastian Moll  18.04.2025

Ungarn

Die unmögliche Geige

Dies ist die zutiefst berührende Geschichte eines Musikinstruments, das im Todeslager Dachau gebaut und 70 Jahre später am Balaton wiedergefunden wurde

von György Polgár  17.04.2025

Medien

Noa Argamani ist auf der »Time 100«-Liste

Alljährlich präsentiert das »Time Magazine« die 100 einflussreichsten Menschen der Welt. 2025 ist auch eine freigelassene israelische Geisel dabei

 17.04.2025

USA

Neuauflage von Weinstein-Prozess startet

Vor gut einem Jahr überraschte ein Gericht in New York die Welt und hob das historische Vergewaltigungsurteil gegen Harvey Weinstein auf. Nun wird über die Vorwürfe erneut verhandelt

von Benno Schwinghammer  14.04.2025

Türkei

Die Optimistin

Liz Behmoaras schrieb über das jüdische Leben im Land – und für das Miteinander. Ein Nachruf

von Corry Guttstadt  14.04.2025

Ägypten

Gefährliches Paradies

Der Sinai ist einer der wenigen Urlaubsorte im Ausland, den Israelis auf dem Landweg erreichen können. Gern auch zu Pessach. Aber zu welchem Preis?

von Matthis Kattnig  11.04.2025

Feiertag

Putzen, Plagen, Playmobil

Neben Mazza und Haggada bietet Pessach Raum für ganz neue, individuelle Rituale. Wir haben uns in sieben Familien in Europa und Israel umgehört

von Nicole Dreyfus  11.04.2025

Israel-Boykott

Johnny Rotten nennt Hamas »einen Haufen von ›Judenvernichtern‹ «

Eine irische Zeitung hat versucht, den Ur-Punk Johnny Rotten vorzuführen, der sich kraftvoll gegen einen Boykott Israels wehrt. Das ging gründlich schief

von Sophie Albers Ben Chamo  10.04.2025

USA

Eine Hochschule und ihr LGBTQ-Klub

Die einen feiern den »Meilenstein für queere Juden«, die Yeshiva University rudert zurück. Nicht nur die orthodoxe Gemeinschaft ist verwirrt

von Sophie Albers Ben Chamo  10.04.2025