Die Messerattacke von Nizza war gerade erst bekannt geworden, da reagierte der Rat jüdischer Einrichtungen in Frankreich (CRIF) schon. »Der Crif drückt den Bewohnern von Nizza und den Katholiken Frankreichs seine brüderliche Solidarität aus«, schrieb der Dachverband am Donnerstag vergangener Woche auf Twitter.
Ein 21-jähriger Tunesier hatte kurz zuvor in der Basilika Notre-Dame drei Menschen erstochen und war danach von der Polizei überwältigt worden.
islamist Es war das dritte Attentat eines mutmaßlichen Islamisten innerhalb eines Monats in Frankreich: Ende September hatte ein 25-jähriger Pakistaner vor dem ehemaligen Redaktionsgebäude der Satirezeitung »Charlie Hebdo« zwei Menschen mit einem Metzgerbeil schwer verletzt. Mitte Oktober wurde der Lehrer Samuel Paty von einem 18-jährigen Tschetschenen enthauptet, weil er im Unterricht zum Thema Meinungsfreiheit die Mohammed-Karikaturen gezeigt hatte.
Die Synagogen bleiben in den nächsten vier Wochen geschlossen.
Paty war nicht der erste Lehrer, der von einem Islamisten getötet wurde. 2012 hatte Mohammed Merah in der jüdischen Schule Ozar Hatorah von Toulouse Jonathan Sandler, zwei seiner Kinder sowie ein weiteres Mädchen erschossen.
Im Januar 2015 wurde die jüdische Gemeinde erneut Ziel eines Anschlags, als sich der Islamist Amedy Coulibaly im Pariser Supermarkt Hyper Cacher verschanzte und dort vier Menschen tötete, bevor die Polizei ihn bei der Erstürmung des Ladens erschoss.
prozess Anfang September begann der Prozess um das Attentat, das viele Juden damals bewegt hatte, Frankreich Richtung Israel zu verlassen. Anhand von Videoaufzeichnungen rekonstruierte der Vorsitzende Richter Régis de Jorna die Geiselnahme von elf Menschen, die sich in dem Laden aufhielten, als Coulibaly ihn mit zwei Kalaschnikows in der Hand stürmte.
De Jorna verlas den Dialog, den der Islamist mit seinen Geiseln führte: »Welcher Religion gehören Sie an?«, fragte der Attentäter laut dem Protokoll der Zeitung »Le Monde« einen von ihnen. Auf die Antwort »jüdisch« erwiderte der 32-Jährige: »Jetzt wissen Sie, warum ich hier bin. Allahu Akbar.«
Noch bis Mitte November dauert das Verfahren, in dem auch das Attentat auf »Charlie Hebdo« mit zwölf Toten aufgerollt wird.
Noch bis Mitte November dauert das Verfahren, in dem auch das Attentat auf »Charlie Hebdo« mit zwölf Toten aufgerollt wird, das sich zwei Tage vor dem Attentat im Supermarkt Hyper Cacher ereignet hatte.
Die Zeitung veröffentlichte zum Prozessbeginn die bereits 2006 erschienenen Mohammed-Karikaturen noch einmal und entfesselte damit die jüngste Serie von Anschlägen, die sich noch fortsetzen könnte: Laut der Zeitung »Journal du Dimanche« könnte Chanukka ein neuer Anlass für ein Attentat sein.
KARRIKATUREN »Wir werden nicht auf die Karikaturen verzichten«, kündigte Präsident Emmanuel Macron in seiner Trauerrede für Paty an. Der Satz brachte ihm heftige Proteste in muslimischen Ländern ein. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan riet ihm, sich auf seinen Geisteszustand untersuchen zu lassen, und rief zum Boykott französischer Produkte auf.
Der Vorsitzende des CRIF, Francis Kalifat, verurteilte Erdogans Appelle: »Man muss den Wahn des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan stoppen, der sich immer mehr als neuer Kalif der muslimischen Welt sieht«, erklärte Kalifat. »Frankreich kann kein neues Spielfeld der Verrücktheiten Erdogans sein.«
7000 Beamte, darunter 3500 Reservisten, sollen in den nächsten Tagen zusätzlich abgestellt werden, um Schulen und religiöse Einrichtungen im ganzen Land zu sichern.
synagogen Die Synagogen bleiben in den nächsten vier Wochen ohnehin geschlossen, da wegen der Corona-Pandemie in Frankreich seit Ende vergangener Woche ein Lockdown herrscht. Die Menschen dürfen das Haus nur eine Stunde am Tag im Umkreis von einem Kilometer verlassen, und auch das nur mit einem Passierschein.
7000 Beamte, darunter 3500 Reservisten, sollen in den nächsten Tagen zusätzlich abgestellt werden, um Schulen und religiöse Einrichtungen im ganzen Land zu sichern.
»Mit viel Traurigkeit, aber auch mit Verantwortungsgefühl teilen wir die Schließung der Synagogen bis zum Ende der Ausgangssperre mit«, schrieb das Konsistorium. Religiöse Stätten bleiben zwar prinzipiell geöffnet, es dürfen sich darin aber nur Einzelpersonen aufhalten.
»Es steht außer Frage, dass sich dort ein Minjan bildet«, sagt der Rabbiner Michel Serfaty. Gemeinsame Gebete über »Zoom« sind nicht üblich. »Man will nicht, dass es zu einem Bruch der Beziehung zwischen den Betern und der Synagoge kommt«, bemerkt Serfaty, der Rabbiner in Ris-Orangis bei Paris ist. Übers Internet betet er lediglich die Jahrzeit-Gebete mit den Angehörigen.
INFEKTIONEN Frankreich gehört mit mehr als 37.000 Toten zu den am meisten von Covid-19 betroffenen Ländern. Jeden Tag werden rund 50.000 Neuinfektionen gezählt.
In der Region um die zentralfranzösische Stadt Saint-Etienne liegt die Inzidenz inzwischen bei 1065 pro 100.000 Einwohnern. Erste Krankenhäuser verlegen ihre Patienten bereits wieder in weniger betroffene Gebiete. Aber im Gegensatz zur ersten Welle verteilt sich das Virus diesmal fast gleichmäßig über das ganze Land.
Auch die jüdische Gemeinde war im Frühjahr stark von der Krankheit betroffen. In Gemeinden wie Straßburg waren fast alle Rabbiner erkrankt.
Im Unterschied zum Frühjahr dürfen die Schulen diesmal geöffnet bleiben. Auch an jüdischen Schulen wird deshalb weiter unterrichtet. Die Bewohner der Altersheime können ebenfalls weiter besucht werden. Eine Isolierung der Senioren wie im Frühjahr soll sich nicht wiederholen.