Schuhe, Fotos, Kofferanhänger und weitere persönliche Gegenstände aus dem Ghetto Theresienstadt tauchten bei einer Dachsanierung auf. »Wir mussten einen Dachbalken austauschen, sonst hätten wir sie nie gefunden«, sagen die Eigentümer eines Hauses in der Dlouha-Straße.
Tefillin Beide arbeiten am Projekt »Ghettospuren«, möchten aber anonym bleiben. Einigen Gegenständen können sie sogar Personen zuordnen, da die Fundstücke mit Namen versehen wurden. Ein ganz besonderer Fund sind Tefillin. Die Gebetsriemen müssen für den ehemaligen Besitzer von großer Bedeutung gewesen sein, mutmaßen die Hauseigentümer, denn das Versteck war sorgfältig ausgewählt.
Dieser Zufallsfund war nicht der erste und sicherlich nicht der letzte stumme Zeuge des NS-Terrors in Theresienstadt, dem heutigen Terezín.
Mehr als 140.000 Menschen wurden zwischen 1941 und 1944 dorthin deportiert, mehr als 33.000 starben an den unmenschlichen Lebensbedingungen. Weitere 84.000 Menschen wurden in die Vernichtungslager nach Osten deportiert und dort umgebracht. Viele hinterließen Botschaften der Hoffnung, der Liebe und der Sehnsucht in Form von Wandmalereien, Kritzeleien und kleinen persönlichen Sachen.
Flut Die großen Schäden der Flut von 2002 motivierten Stadtplanerin Uta Fischer dazu, Zeichen des jüdischen Lebens aufzuspüren und zu sichern. Bereits als Studentin setzte sie sich mit Terezíns Geschichte auseinander. Ihr gemeinsames Buch mit dem Autor Roland Wildberg Theresienstadt – Eine Zeitreise soll helfen, die Entwicklung und den Ghetto-Alltag zu begreifen.
Ohne Förderungen der Kulturstiftung des Bundes, der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft sowie des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds hätten sie das Projekt »Ghettospuren« nicht ins Leben rufen können. Das binationale Team von Fotografen, Restauratoren und Journalisten setzt sich für eine nachhaltige Denkmalpflege ein.
Seit 2012 dokumentieren sie ihre Funde an 60 Orten in der Stadt. Sie wollen alles aufbewahren, was noch zu retten ist. »Obwohl aus der Erlebnisgeneration des Verbrechens manche noch unter uns leben, ist es absehbar, dass der Moment kommen wird, an dem uns niemand von dieser Zeit erzählen kann«, heben Fischer und Wildberg in ihrem Buch hervor.
Initiative Hinter jeder Spur steckt eine eigene Geschichte. Ziel der Initiative ist, diese ans Licht zu bringen. »Was die Tefillin und die anderen wiederentdeckten Relikte angeht, tappen wir noch im Dunkeln«, teilen die Finder mit. Sie seien derzeit auf dem Weg, mehr zu erfahren.
Das schwere Erbe der Kleinstadt stellt oft ein Hindernis für die Forschung dar – viele Einwohner wollen sich mit der Schoa nicht konfrontiert sehen. Manchmal spielen auch irrationale, abergläubische Ängste eine Rolle. Trotz alledem fand das Expertenteam zahlreiche Urheber der Nachrichten heraus. Zum 70. Jahrestag der Befreiung des Ghettos im Mai 2015 werden sie alle Forschungsergebnisse in einer Ausstellung präsentieren.
Falls Sie selbst Zeitzeugen kennen, können Sie über die Website www.ghettospuren.de mit den Projektleitern Kontakt aufnehmen.