Ayman Hamed schmunzelt zufrieden. In dem hellen Hof wimmelt es von Leuten, hoch über den Köpfen pinselt ein Arbeiter auf der Leiter behutsam an der Decke über dem Kronleuchter. Die schlanken, schweren Eingangstüren sind aus dunklem Holz, zwei von ihnen mit einem Davidstern verziert. Techniker haben die Luken der Zisterne im Hof geöffnet, wo das gesammelte Grundwasser zusammenläuft und testen die neuen Pumpen. Es ist ein besonderer Tag – die Renovierung der Moses-Maimonides-Synagoge im früheren jüdischen Viertel Haret al-Yahoud im Herzen von Kairo wird offiziell abgeschlossen.
Vergangenen Sonntag fand die Abnahme durch den Bauherrn statt, die ägyptische Altertümerverwaltung unter ihrem Chef Zahi Hawass. Überall laufen seine Experten herum, stecken ihre Nase in jeden Winkel und tippen Notizen in ihre Laptops. Ruhig folgt Ayman Hamed dem Treiben, beantwortet Fragen und gibt Anweisungen. 18 Monate lang hat der promovierte Ingenieur für seine Firma die Restaurierung der Synagoge aus dem 19. Jahrhundert plus der angrenzenden Jeschiwa des berühmten Rambam aus dem 12. Jahrhundert geleitet. »Das ist ein wunderschöner Tag für mich«, sagt der 40-Jährige und lässt sich für eine Verschnaufpause auf einer der Bänke in dem Gebetshaus nieder. Der überzeugte Muslim hat bereits Klöster und Moscheen restauriert, aber noch nie eine Synagoge.
Glück Als die kleine jüdische Gemeinde von Ägypten am 7. März mit 150 Gästen aus aller Welt das Gebäude wieder als Gotteshaus eröffnete, war er mit dabei. Drei Tage und Nächte arbeiteten er und seine Leute durch, um alles herzurichten. »Die Menschen waren glücklich über unser Werk, und ich war glücklich über ihre Freude – ein wunderbarer Moment«, sagt er, der danach einen ganzen Tag ausschlafen musste. Anwesend waren nicht nur die Botschafter Israels und der USA in Ägypten, sondern auch ein Dutzend chassidischer Rabbis aus Israel, die eine Torarolle in den hölzernen Aron Hakodesch am Kopf des Gebetsraumes legten.
Rabbi Andrew Baker vom American Jewish Committee brachte eine silberne Mesusa mit, die er an den Türpfosten nagelte. »Als ich vor fünf Jahren das erste Mal hier war, war die Synagoge eine Ruine unter offenem Himmel, das Dach eingestürzt und alles voller Müll«, erinnerte er sich. Ausdrücklich lobte er die ägyptischen Verantwortlichen dafür, wie sie sich inzwischen der jüdischen Denkmäler annehmen und sie so als Teil der ägyptischen Geschichte und Kultur anerkennen.
Das größte Juwel des Ensembles allerdings liegt zwei Meter tiefer und ist nur über eine steile Treppe zu erreichen. In diesen Gewölben lehrte Maimonides nach seiner Flucht aus Cordoba und empfing seine Patienten – darunter angeblich auch den Sieger über die Kreuzfahrer, Saladin. Über dem Eingangsbogen hängt ein kleines Relief des weltbekannten jüdischen Denkers, daneben sind Reste eines mittelalterlichen Deckenbalkens zu erkennen.
wasser Noch vor einem Jahr war alles begraben unter einer meterdicken Betonschicht, die das zerstörerische Grundwasser wegdrücken sollte. Heute wird das Wasser unter der Jeschiwa und der Synagoge durch ein ausgeklügeltes Rohrsystem aufgefangen. Auch die Nische wurde wieder freigelegt, in der für kurze Zeit der Sarg des 1204 gestorbenen Gelehrten stand, bevor er nach Tiberias am See Genezareth umgebettet wurde.
Die Wurzeln jüdischen Lebens in Ägypten reichen weiter zurück als Maimonides – auch wenn die Zahl der Juden über viele Jahrhunderte hinweg relativ klein war. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in Ägypten kaum mehr als 6.000 Juden. Erst durch Einwanderungswellen aus Ost- und Südeuropa, Nordafrika und dem Osmanischen Reich kam der große Aufschwung. 1930 lebten 75.000 Juden am Nil, die meisten in Kairo und Alexandria, bis zwei Jahrzehnte später ihr Exodus begann. 20.000 zogen 1948 fort nach dem ersten israelisch-arabischen Krieg, weitere 40.000 nach der Suezkrise 1956 und die restlichen nach dem Sechstagekrieg 1967. Heute leben keine 50 Juden mehr im ganzen Land: zwei betagte Männer noch, die übrigen sind ältere Frauen.
Kosten Anderthalb Millionen Euro hat die ägyptische Regierung für die jüngste Restaurierung ausgegeben. Weitere zehn jüdische Gebetshäuser sollen folgen – als nächstes ist die Rav-Hayim-Synagoge dran, sie liegt im gleichen Viertel nahe dem bei Touristen so beliebten Bazar Khan el Khalili. Im Juli 2005 war die aus dem elften Jahrhundert stammende Ben-Ezra-Synagoge in Alt-Kairo feierlich wiedereröffnet worden. Zwei Jahre später folgte die 1905 erbaute Shaar-Hashamayim-Synagoge an der Adly Straße im Stadtzentrum.
Bei der Maimonides-Synagoge allerdings gibt es jetzt Streit. Vor zehn Tagen sagte Zahi Hawass die staatliche Einweihungsfeier wütend ab. Die Gäste des jüdischen Festes hätten sich provokant verhalten und in der Synagoge Alkohol getrunken und getanzt, hieß es zur Begründung in seiner Mitteilung auf Arabisch. Solche Handlungen »provozieren die Gefühle von Millionen Muslimen in Ägypten und der ganzen Welt«. Zudem seien heilige Stätten der Muslime den Aggressionen der israelischen Besatzer ausgesetzt. Dabei verwies er auf die zeitweise Sperrung des Jerusalemer Tempelbergs in den vergangenen Wochen. Auch wenn Hawass seine Vorwürfe in der später nachgereichten englischen Version nicht wiederholte und sich die kleine jüdische Gemeinde Ägyptens in Schweigen hüllt, das ansonsten gute Klima zwischen beiden Seiten scheint momentan etwas belastet.
Termin Die Emissäre des ägyptischen Chefarchäologen vor Ort allerdings sind guter Dinge. Auf ihr Verlangen hin lässt Bauleiter Ayman Hamed noch eine Elektroleitung auf der Holzdecke mit braunem Band überkleben und ein paar Fugen im Hof nachbessern. Im Innenraum sollen die Deckel der Verteilerkästen hinter den Ventilatoren mit beiger Wandfarbe nachgestrichen werden. Acht Stunden später ist alles erledigt – jede Lampe geprüft und alle Beanstandungen behoben. Jetzt muss die Synagoge nur noch von ägyptischer Seite offiziell eingeweiht werden. Wann das sein wird, darüber schweigt der allgewaltige Zahi Hawass. Vielleicht entscheidet er sich doch noch für den ersten Pessachtag, den 30. März, der auch Maimonides’ Geburtstag ist. Aber wahrscheinlich wird er sich noch etwas länger Zeit lassen.