»Käi Dschäi« war meine Synagoge, ich war oft dort. KJ ist die Abkürzung für Kehilath Jeshurun, die Gemeinde liegt nicht weit von meiner Wohnung entfernt – 85. Straße und Lexington Avenue. Der Hauptgrund, warum ich gern dort hinging, hatte einen Namen: Rabbi Meir Soloveitchik.
Wenn dieser Mann vor den Toraschrein trat und anfing zu reden, dann wusste jedes Gemeindemitglied: Wir werden jetzt die nächste Viertelstunde damit verbringen, uns die Lachtränen aus den Augen zu wischen, uns werden nachher die Bauchfellmuskeln weh tun, und gleichzeitig werden wir irgendetwas Wichtiges lernen. Wir werden beschwingt und belehrt nach Hause gehen und unseren Schabbesnachmittagschlaf absolvieren. KJ war also meine Synagoge. Jetzt hat es dort gebrannt.
Feuerwehr Die Tante Jolesch hat bekanntlich gesagt: Gott soll einen hüten vor allem, was noch ein Glück ist. Trotzdem: Es war noch ein Glück, dass die Synagoge sowieso gerade renoviert wurde, so dass die Thorarollen und die Talissim dort nicht aufbewahrt wurden. Es war noch ein Glück, dass die Feuerwehr binnen zwei Stunden das Feuer im Dachstuhl gelöscht hatte. Es war noch ein Glück, dass nicht mehr abgebrannt ist. Es war noch ein Glück, dass kein Mensch zu Schaden kam, auch keiner von den tapferen Männern unserer New Yorker Feuerwehr, deren Wache gleich um die Ecke liegt.
Heute kam ich zufällig an meiner verbrannten Synagoge vorbei, als dort auf der Straße in der Sommerhitze ein kleiner Gottesdienst improvisiert wurde. Rabbiner Soloveitchik erzählte diesmal keine Witze, sondern las auf Hebräisch den 21. Psalm (»... erreichen wird deine Hand all deine Feinde ... du machst sie gleich dem Feuerofen zur Zeit deines Zornblickes ...«). »Was gestern passiert ist«, sagte ein Redner, »war eine Katastrophe, aber keine Tragödie.« Juden sind halt zum Optimismus verdammt.
Kehilath Jeshurun, 125 East 85 Street