Herr Sarkar, die meisten denken bei jüdisch-indischen Beziehungen an Israelis, die nach ihrem Wehrdienst durch Indien reisen. Woran denken Sie?
Natürlich spielen die rund 40.000 Israelis eine Rolle, die jedes Jahr nach Indien fahren. Aber es reisen auch genauso viele Inder nach Israel! Wenn ich an jüdisch-indische Beziehungen denke, steht jedoch der Tourismus nicht im Mittelpunkt. Ich denke zuerst an die indischen Juden in Israel, die ich wieder mit ihren Wurzeln in Verbindung bringen möchte. Außerdem habe ich mir als weiteres Ziel meiner Amtszeit vorgenommen, eine intensivere Partnerschaft mit der indisch-jüdischen Diaspora aufzubauen.
Viele sind überrascht, dass es überhaupt jüdisch-indische Beziehungen gibt.
Bereits vor über 2000 Jahren lebten Juden in Indien, insofern ist es keinesfalls ein neues Phänomen. Es gab vier jüdische Gemeinden: die Bnei Israel aus der Maharashtra-Gegend um Mumbai, die Kochin- oder Malabar-Juden, die fast alle nach Israel ausgewandert sind, die Bagdadi-Juden, ebenfalls aus der Gegend um Mumbai, und die Bnei Menasche; sie kamen aus Manipur und Mizoram. Heute leben in Indien noch rund 5000 Juden, die meisten von ihnen in und um Mumbai. Traditionell waren die jüdischen Gemeinden immer eher isoliert. Aber es gab nie Antisemitismus! Und das in einem auch muslimisch geprägten Land! Sie sehen, es ist eine vielfältige Geschichte, und mir geht es darum, dieses reiche Erbe wiederaufleben zu lassen.
Erzählen Sie doch kurz etwas mehr über Ihr Vorhaben, indische Juden in Israel anzusprechen.
In den 50er- und 60er-Jahren gab es zwei große Auswanderungswellen nach Israel. Und inzwischen leben mehr als 85.000 Juden mit indischen Wurzeln in Israel. Mein Plan ist nun, für diese Menschen Reisen nach Indien zusammenzustellen. Wir werden die Orte besuchen, aus denen die Großeltern kamen. Das Motto ist: »Zurück zu den Wurzeln« – dazu gehören auch Besuche der neu renovierten Synagogen und Monumente.
Wie genau möchten Sie das angehen?
Auf sehr breiter Ebene: Erstens möchte ich die jüdische Gemeinde mit indischen Wurzeln in Israel enger zusammenführen. Es ist jetzt bereits die dritte Generation, die in Israel lebt. Rund 3500 haben sich vor einem Monat beim dritten Nationalen Kongress getroffen, den ich für die indisch-israelischen Juden organisiert hatte. Zweitens ist mein Ziel, die indisch-jüdische Diaspora-Gemeinde zu stärken. Diese beiden Säulen sind tragfähig: die eigene Herkunft neu entdecken und die Diaspora-Verbindungen intensivieren.
Welche Projekte und Programme gibt es neben dem Kongress?
Neben den »Jewish Heritage Tours«, die wir gerade zusammenstellen, bestehen mehrere bilaterale Stipendienprogramme. In Indien und Israel sind Hightech und Wissenschaften gleichermaßen populär. Beide Regierungen stellen jährlich fünf Millionen Dollar für die Zusammenarbeit auf diesen Gebieten zur Verfügung. Außerdem gibt es ein sehr spannendes nicht-akademisches Projekt für indische Juden in Israel.
Was für ein Projekt ist das?
Wir erstellen eine Datenbank mit mündlichen Erinnerungen rund um die Einwanderung indischer Juden vor 50, 60 Jahren. Wenn wir die Geschichten nicht bald aufnehmen, werden sie verloren gehen. Wir haben unter anderem das Tel Aviver Diaspora-Museum Beit Hatfutsot mit ins Boot geholt. Mitarbeiter werden in die Klassen gehen und die Schüler ermuntern, zu Hause nach den Familiengeschichten zu fragen.
Wie man hört, haben Sie auch Neues aus dem Tourismusbereich zu verkünden ...
Wir haben gute Nachrichten! Es gibt jetzt ein elektronisches Visum für die meisten Länder, das online beantragt werden kann und bis zu 30 Tage gilt. Man kann also von Israel, aber auch von Deutschland aus, problemlos für einen Monat nach Indien reisen.
Mit dem indischen Botschafter in Israel sprach Jennifer Bligh.