In einem unscheinbaren Bürogebäude am Boulevard Bulgaria, einer der wichtigsten Verkehrsadern der bulgarischen Hauptstadt Sofia, sitzt die M3 Communications Group. Ihr Eigentümer, Maxim Behar, ist in Bulgarien eine prominente Person, zuweilen wird er »PR-Papst« genannt. Als Honorarkonsul repräsentiert er die Inselgruppe der Seychellen. Nicht zuletzt durch die Publikation seiner »111 Rules on Facebook« hat sich Behar das Image eines der Zukunft und dem Fortschritt zugewandten Visionärs erworben.
Sein neuestes Projekt ist jedoch ganz und gar retrospektiv: »Zurück zu den Wurzeln« könnte es überschrieben sein. Behar möchte in dem spanischen Städtchen Béjar ein Museum gründen, das mit Exponaten und Dokumenten von den sefardischen Juden erzählt, die Ende des 15. Jahrhunderts vertrieben wurden und in Bulgarien Zuflucht fanden.
fotos »Bulgarien als Staat gab es zu dieser Zeit nicht«, berichtigt Behar beim Gespräch im Konferenzraum seines Büros, dessen Wände geschmückt sind mit Fotos von Begegnungen mit bekannten Persönlichkeiten wie US-Außenministerin Hillary Clinton. »Bulgarien war damals eine Provinz des Osmanischen Reichs, ein Hort religiöser Toleranz, wo Christen, Muslime und Juden einträchtig zusammenlebten«, sagt er.
Friedliche Koexistenz verschiedener Volksgruppen kennt Behar aus seiner Heimatstadt Schumen im Nordosten des Landes. Viele bulgarische Türken leben da, aber auch Angehörige anderer Minderheiten wie Roma und Armenier. »Noch bis zu meiner Generation sprachen die Juden in Schumen Spaniolisch, das Spanisch der sefardischen Juden«, sagt er. Leider beherrsche er selbst es nicht mehr. Wie aber kam Maxim Behar auf die Idee, nicht etwa das örtliche Heimatmuseum in Schumen zu unterstützen, sondern im spanischen Béjar ein Museum zu gründen?
»Alles begann mit einer Begegnung im Herbst 2011«, sagt Behar, »ich wurde in Sofia Luis Bassat vorgestellt.« Bassat, Chef des spanischen PR-Verbandes, hat zweimal für das Amt des Präsidenten des FC Barcelona kandidiert und betreibt eine bekannte Galerie für moderne Kunst. »Wie komme ich nach Schumen?«, fragte er Behar. Anfang des 20. Jahrhunderts war Bassats Großvater von dort über Istanbul nach Spanien ausgewandert, fühlte sich zeit seines Lebens aber als Bulgare. Behar bot Bassat an, ihn nach Schumen zu begleiten. Daraufhin schlug Bassat ihm vor, ihn in die Stadt zu führen, deren Namen er trägt.
berge Nach einer gemeinsamen Silvesterfeier machten sich Behar und Bassat am Neujahrstag 2012 auf nach Madrid und von dort weiter mit dem Auto in die Gegend südlich von Salamanca. Béjar, Geburtsort der spanischen Textilindustrie, liegt malerisch umgeben von den Bergen der Sierra de Béjar. Seine rund 15.000 Einwohner sind fast ausschließlich Katholiken, Ende des 15. Jahrhunderts aber soll jeder Fünfte der damals 1500 Einwohner Jude gewesen sein. Wie ihre christlichen und muslimischen Nachbarn arbeiteten die Juden vor allem in Textilmanufakturen, aber auch in der Landwirtschaft und im Weinanbau. Das vom spanischen Königspaar Isabella und Ferdinand erlassene Alhambra-Edikt zwang sie 1492, das Land zu verlassen.
»Sie hatten vier Monate Zeit, ihre Koffer zu packen, dann zerstreuten sie sich in alle Welt«, sagt Maxim Behar. Viele nahmen den Namen ihrer Heimatstadt an, um ihre Verbundenheit auszudrücken. Wie viele Menschen auf der Welt den Namen Béjar oder Variationen davon tragen, ist nicht bekannt, es dürften aber Hunderttausende sein, darunter prominente Persönlichkeiten wie die amerikanische Schauspielerin Joy Behar oder der frühere Starbucks-Chef Howard Behar. Einige von ihnen haben sich vergangenen Herbst wieder auf dem »World Summit of Behars« getroffen. Er wurde 2004 von dem Bulgaren Iako Behar initiiert.
Dokumente »Als Bassat und ich durch die Gässchen des einstigen jüdischen Viertels von Béjar schlenderten, schien mir alles vertraut, als seien hier meine Wurzeln«, erzählt Maxim Behar. So kam er auf die Idee, in der spanischen Stadt ein kleines Haus zu kaufen, um darin ein Museum einzurichten, das von den bulgarischen Juden erzählt, deren Vorfahren von hier vertrieben wurden. »Fast alle Juden, die heute in Bulgarien leben, sind aus Spanien gekommen. Ich kenne viele, die mir Dokumente und Ausstellungsstücke zur Verfügung stellen können, die wir in dem Museum zeigen würden«, sagt er optimistisch.
Bereits seit 2005 gibt es in einem Haus aus dem 15. Jahrhundert ein »Museo Judio«, das den Namen seines Gründers David Melul trägt. Es dokumentiert die Geschichte der Juden von ihrer Ankunft auf der Iberischen Halbinsel bis zur Vertreibung. »Mein Museum soll eine Ergänzung dazu sein und sich in der Nähe befinden«, sagt Behar. Er würde sich freuen, wenn auch aus Béjar stammende Juden in Frankreich oder den USA Museen gründeten. Dies würde die touristische Anziehungskraft des Städtchens, das wegen des nahe gelegenen Skigebiets schon jetzt ein beliebtes Reiseziel ist, weiter stärken. Bürgermeister Alejo Rinones sieht das genauso; er hat Maxim Behar schon mal die goldene Medaille der Stadt verliehen.