Die beiden schwersten Terroranschläge in der Geschichte Argentiniens – auf die israelische Botschaft und das jüdische Gemeindezentrum AMIA in Buenos Aires in den 90er-Jahren – gehen auf das Konto einer Hisbollah-Zelle. Entgegen weit verbreiteten Behauptungen erhielt sie weder vom Iran noch von argentinischen Bürgern operative Unterstützung vor Ort, so eine Untersuchung des israelischen Geheimdienstes Mossad.
Die interne Mossad-Studie, deren Ergebnisse kürzlich die »New York Times« veröffentlichte, beschreibt detailliert, wie die Anschläge geplant wurden, und enthält bisher unbekannte Details – einschließlich der Frage, wie das Material für den Sprengstoff nach Argentinien geschmuggelt wurde.
Autobombe Die israelische Botschaft in Buenos Aires wurde am 17. März 1992 in die Luft gesprengt, nachdem ein Selbstmordattentäter eine Autobombe gezündet hatte. Bei dem Anschlag wurden 29 Menschen getötet und fast 250 verletzt. Zwei Jahre später, am 18. Juli 1994, war es ebenfalls eine Autobombe, die das AMIA-Gebäude in der argentinischen Hauptstadt zerstörte und 85 Menschen tötete.
Den von der New York Times veröffentlichten Schlussfolgerungen des Berichts zufolge verübte die Hisbollah die beiden Anschläge, um israelische Operationen im Libanon gegen Mitglieder der Organisation zu rächen. Sie nutzte eine geheime Infrastruktur, die sie über Jahre in Buenos Aires und anderen lateinamerikanischen Städten aufgebaut hatte.
Demnach schmuggelten Hisbollah-Agenten den Sprengstoff, getarnt in Shampooflaschen und Schokoladenschachteln, auf regulären Linienflügen aus Europa nach Südamerika. Die beiden Selbstmordattentäter wurden in Brasilien kontaktiert und reisten mit falschen Pässen nach Argentinien ein.
libanon Die für die Organisation der beiden Anschläge Verantwortlichen verließen Buenos Aires Tage später und leben heute im Libanon, ohne jemals vor Gericht gestellt worden zu sein. Der Befehlshaber der Hisbollah-Operationen wurde später bei einer gemeinsamen israelisch-amerikanischen Operation getötet, so die New York Times.
Die jüdischen Dachverbände DAIA und AMIA kritisieren den Zeitungsartikel über die Anschläge in Buenos Aires.
Die jüdischen Dachverbände DAIA (Delegación de Asociaciones Israelitas Argentinas) und AMIA (Asociación Mutual Israelita Argentina) kritisieren den Zeitungsartikel über die Anschläge in Buenos Aires. DAIA-Präsident Jorge Knoblovits fordert gerichtliche Aufklärung der nun publik gewordenen Informationen. »Ohne das Eingreifen der Ermittlungsbehörden werden wir nicht in der Lage sein, die Wahrheit zu erfahren.«
»Unsere Kritik richtet sich im Wesentlichen gegen die Behauptung, der Iran habe nichts mit dem Bombenanschlag zu tun«, so AMIA-Anwalt Miguel Bronfman im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen. »Während es in einem Absatz heißt, es habe keine Aktivitäten ›vor Ort‹ gegeben, heißt es in einem anderen, die Hisbollah habe allein und ohne iranische Unterstützung gehandelt. Dies steht im Widerspruch zu allen Beweisen, die in den 28 Jahren der Ermittlungen in der Gerichtsakte gesammelt wurden und die zweifelsfrei auf eine gemeinsame Verantwortung des Iran und der Hisbollah hinweisen.«
IRAN Wenige Tage nach Erscheinen des Artikels erfolgte eine Klarstellung von israelischer Seite. Für Jerusalem ist »der Iran der Urheber der Terroranschläge auf die israelische Botschaft und die AMIA«, sagte der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Lior Haiat, der Mediengruppe Clarín.
Der Beamte bestätigte auch, dass es sich um ein Missverständnis nach der Veröffentlichung des Artikels in der New York Times handelte. »Aus dem Artikel geht eindeutig hervor, dass der Iran hinter den Anschlägen steckt und dass in beiden Fällen der terroristische Arm des Iran, die Hisbollah, die Anschläge verübt hat«, so Haiat. »Der Artikel enthält keine neuen Erkenntnisse über die Täter. Ich spreche von einer Makrobetrachtung«, fügte er hinzu und stellte klar, dass aus seiner Sicht vor allem neu ist, wie der Sprengstoff nach Argentinien geliefert wurde.
»Angesichts der späteren Klarstellungen Israels scheint es sich letztlich um ein Missverständnis gehandelt zu haben«, sagt auch Bronfman. Der Sprengstoff-These aber kann er wenig abgewinnen. »Die Theorie, wie der Sprengstoff ankam, erscheint wenig glaubwürdig. 300 Kilo Sprengstoff sind für das AMIA-Attentat verwendet worden – es ist schwer zu glauben, dass sie in Shampooflaschen und Pralinenschachteln gebracht wurden.«