Das Denkmal für die ermordeten Juden in Berlin oder die »Schuhe am Donau-Ufer« in Budapest, ein Mahnmal, das an die Auslöschung eines Großteils des ungarischen Judentums erinnert: zwei Beispiele für Erinnerungsorte in Ländern, die zwischen 1933 und 1945 zu den Täternationen gehörten.
In der Schweiz, die sich nach eigenem Selbstverständnis durch ihre Neutralität in jenen Jahren der Erinnerungskultur lange entzog, hat es entsprechend länger gedauert, bis sich die Erkenntnis durchsetzte, dass auch hierzulande Menschen leben, die direkt von den Gräueln der Schoa betroffen waren. Und die Erkenntnis, dass die Politik der offiziellen Schweiz, etwa durch Zurückweisung von Flüchtlingen an den Grenzen, durchaus auch einer Erinnerung in Form eines Denkmals wert wäre.
Paradigmenwechsel Nach den Stolpersteinen, die seit einigen Jahren nun auch in der Schweiz zu sehen sind, gibt es inzwischen ebenfalls bei der Diskussion um die Gedenkorte einen Paradigmenwechsel. So hat Ende April die Regierung in Bern beschlossen, dass es auch in der Schweiz ein Holocaust-Memorial geben soll, in zentraler Lage in der Nähe des Bundeshauses in Bern, also dem Sitz des Parlaments und von Teilen der Regierung.
In der Presseerklärung heißt es: »Mit der Realisierung eines Erinnerungsortes setzt der Bund zusammen mit der Stadt Bern ein Zeichen gegen Völkermord, Antisemitismus und Rassismus und für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und individuelle Grundrechte. Der Erinnerungsort soll zudem den Austausch und die Debatte fördern und über die Landesgrenzen hinaus eine Wirkung entfalten.«
Die Landesregierung verspricht in einem allerersten Schritt 2,5 Millionen Franken für das Denkmal. Dass es nun in Bern entstehen soll, macht für Erik Petry, stellvertretender Leiter des Zentrums für Jüdische Studien an der Universität Basel, Sinn: »In jenen dunklen Jahren wurden die Entscheidungen, etwa die Zurückweisung jüdischer Flüchtlinge, in Bern getroffen. Die Grenzkantone waren Außenstellen, die diese Politik umsetzen mussten.«
Petry war Mitglied der sogenannten Steuerungsgruppe, einem Gremium verschiedener Vertretungen der Schweizer Zivilgesellschaft, darunter auch der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG), die das Anliegen eines zentralen Schweizer Erinnerungsortes in den vergangenen Jahren vorbereitet hat. Zuvor hatte das Parlament ein gemeinsames Postulat zweier Abgeordneter aus den beiden größten Parteien, den Sozialdemokraten und der Schweizer Volkspartei, fast einstimmig gutgeheißen.
Finanzierung Zufrieden ist man auch beim SIG. Generalsekretär Jonathan Kreutner, der selbst nicht Teil der Steuerungsgruppe war, sagt: »Alle unsere Anliegen wurden in der Vorlage der Regierung berücksichtigt.« Dazu gehört auch, dass der Bund dieses Memorial allein finanzieren wird, ohne Beteiligung jüdischer Organisationen.
Zusätzlich zum Berner Memorial soll im Kanton St. Gallen eine Art »Außenstelle« entstehen, ein »national, grenzüberschreitender Vermittlungs- und Vernetzungsort«. Nach dem »Anschluss« Österreichs 1938 versuchten dort Tausende Flüchtende, über die Grenze in die Schweiz zu gelangen. Bis 1939 konnten sie auf die Unterstützung des Schweizer Polizeihauptmanns Paul Grüninger rechnen, der vermutlich mehreren Hundert Flüchtlingen das Leben rettete und später von der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem zu einem der »Gerechten unter den Völkern« erklärt wurde.
Für das Projekt will man auch mit dem Jüdischen Museum im benachbarten österreichischen Hohenems zusammenarbeiten.