Für Reisende, die an jüdischem Leben interessiert sind, hat Jamaika viel Historisches zu bieten: Jüdische Piraten, die mit Kippa und unter der Totenkopfflagge den Schiffen der spanischen Krone ihr Raubgold abnahmen, hinterließen ihre Spuren in der Hafenstadt Port Royal. Das Parlament, das zu britischen Kolonialzeiten über Jahrzehnte am Schabbat nicht tagte, befindet sich in der Nähe des jüdischen Gemeindezentrums und kann besucht werden. Und das jüdische Bethaus in der Hauptstadt Kingston ist eine der sechs sefardischen Synagogen in der Welt, deren Boden mit Sand bestreut ist und das Touristen wochentags besichtigen können. Nicht zu reden von den mehr als 20 zugänglichen Begräbnisstätten, die auf der drittgrößten Karibikinsel zum Teil restauriert und inzwischen zum Landeskulturerbe erklärt worden sind.
Und natürlich hat Jamaika »kilometerweite Sandstrände, an denen man Urlaub machen kann«, sagt Maurice Absera. Der jüdische Hotelier betreibt zwei Ferienanlagen im Westen der Insel. Das Urlaubszentrum Negril hat mit elf Kilometern den längsten Sandstrand des Landes und ist bei Touristen aus den USA und Europa sehr beliebt.
Rentabel Zwar steigen auch jüdische Hotelgäste bei Absera ab, doch lohne es nicht, sich auf sie zu spezialisieren, sagt der Mittsechziger. »Es kommen zu wenige Juden, um hier Ferien zu machen. Ein koscheres Hotel wäre nicht rentabel.« Der in Marokko geborene ehemalige Filmproduzent kam vor Jahrzehnten nach Jamaika. Bei Dreharbeiten hatte er sich in eine der Schauspielerinnen verliebt. »Meine Frau ist Jüdin, und wir wollten gemeinsam etwas aufbauen. So haben wir das ›Samsara‹ errichtet.«
Die Lage der Ferienanlage auf den Klippen von Negril ist spektakulär. Am Abend sitzt man auf der Terrasse des Hotels und kann bei einem Cocktail zuschauen, wie die Sonne im Meer verschwindet. »Die Gäste lieben die Atmosphäre, weil wir ein kleines Hotel sind mit einem sehr persönlichen Service.« 50 Zimmer verteilen sich auf mehrere zweigeschossige Gebäude. Außerdem betreibt Asera das Strandhotel »Legends«. Nach seinen Angaben wird es eher von einem jungem Publikum besucht.
Geschichte Viele jüdische Touristen, die in Negril ihren Urlaub verbringen, sind nicht nur an Sonne, Strand und Palmen interessiert, sondern auch an der Geschichte Jamaikas und der jüdischer Bevölkerung. Während diese in der spanischen Kolonialzeit versteckt ihr Judentum lebten, konnten sie unter britischer Kolonialherrschaft ihre Religion frei ausüben, und es entstanden Synagogen.
Dass viele Juden in Jamaika gelebt haben, zeigt sich auch daran, dass es auf der Insel sehr viele jüdische Friedhöfe gibt. Nur ein paar dutzend Kilometer gen Norden ist in der Hafenstadt Montego Bay ein Haus aus dem Jahr 1765 zu besichtigen, in dem einst die Synagoge untergebracht war, und der Gute Ort der Gemeinde, wo die Toten beigesetzt wurden. An der Südküste, auch nur eine knappe Fahrstunde entfernt, gibt es kleine Friedhöfe in Savanna La-Mar und Black River, einem ehemaligen Handelszentrum.
Sehr beliebt bei jüdischen Touristen ist ein Ausflug zur sefardischen Shaare-Shalom-Synagoge in der Hauptstadt Kingston. Die hohen Räume, die Inneneinrichtung aus Mahagoni und der mit feinem Sand ausgelegte Fußboden gelten als Attraktion. Insgesamt 300 Mitglieder zählt die konservativ ausgerichtete Gemeinde. Ihr Zentrum beherbergt neben der Synagoge auch ein jüdisches Museum.
Absera selbst fährt nur an den Hohen Feiertagen nach Kingston. »Es ist schön, mit den anderen Juden der Insel zu feiern.« Obwohl er kein koscheres Hotel führt, versucht er dennoch, seinen Gästen die Ernährung nach den Speisegesetzen zu ermöglichen. »Auch wenn es schwierig ist. Zum Beispiel muss das Fleisch teuer aus Miami importiert werden.« Deshalb wird vornehmlich Fisch zubereitet, den es an der Küste in Hülle und Fülle gibt. »Und natürlich trennen wir Fleischiges und Milchiges«, versichert Absera.
Chuppa Da es in der Umgebung keine Synagoge gibt und der Weg nach Kingston weit ist, lädt Absera die jüdischen Hotelgäste zum Schabbatbeginn in sein Privathaus. »Wir zünden die Lichter.« Dazu wird ein koscheres Gericht serviert und man singt die entsprechenden Schabbatlieder.
Fast alle Hotels im Land bieten auch für Juden die Möglichkeit, sich standesamtlich und religiös trauen zu lassen. Dafür reist dann aus Kingston der dortige Chasan Stephan Henriques mit seiner »fliegenden Chuppa« an, die im Nu am Strand aufgestellt ist und unter die dann die Heiratswilligen im Kreise ihrer Verwandten treten können. »Das ist ein wirkliches Erlebnis«, sagt Absera, vor dessen Hotel sich schon viele Gäste beim Sonnenuntergang vermählt haben.