Wofür ist die jiddische Sprache mit Recht berühmt? Für ihre Flüche. »Sollst sejn wie a Lomp – hängen bei Tug und brennen in der Nacht.« Jiddische Flüche zeichnen sich durch Fantasiereichtum, Ausführlichkeit sowie eine Logik aus, die mitunter wunderliche und wunderbare Haken schlägt. Sehr beliebt: ein Fluch, der anfängt wie ein Segen, sich dann aber radikal in sein Gegenteil verkehrt. »A grojs Geschäft sol er hobn mit Schrojre: Wus er hot, sol men bei ihm nit fregn, und wus men fregt, sol er nit hobn.«
beschwerden Viele jiddische Flüche haben – das versteht sich bei einem hypochondrischen Volk eigentlich von selbst – mit gesundheitlichen Beschwerden zu tun. Der Klassiker: »Ale Zäjn soln bei ihm arojsfaln, nor ejner sol ihm bleibn ojf Zohnwäjtong.« Es geht aber auch kürzer und böser: »Er sol kackn mit Blit un mit Eiter.«
Es gibt jetzt eine amerikanische Website, die sich nachgerade liebevoll solchen Juden widmet, die bei den Präsidentschaftswahlen des Jahres 2012 ihre Stimmen nicht Obama, sondern Mitt Romney geben wollen. Sie heißt: »Yiddish Curses for Republican Jews«. Hinter der Website stehen Rachel Shukert – eine junge Schriftstellerin und Dramatikerin, die aus Nebraska stammt – und ihr geplagter Ehemann Ben Abramowitz.
wut Sie sagt, die Idee wurde geboren, als sie im Flur vor dem Badezimmer darauf wartete, dass ihr Mann sich zu Ende rasiert. Sie war voller Wut auf die amerikanische Politik und die Republikaner, vor allem aber auf jene entfernten Verwandten, die konservative Neigungen haben.
Sie wünschte jenen Verwandten alles Schlechte – da ging über ihrem Kopf plötzlich das Licht an. »Mögen deine einzigen Enkel Katzen haben, und mögest du Allergien haben, und möge dein Apotheker sich völlig legal weigern, dir deine verschreibungspflichtigen Allergietabletten auszuhändigen, weil sie von derselben Firma produziert wurden, die auch Abtreibungspillen herstellt!« Oder: »Mögest du eine seltene Krankheit haben und eine Operation benötigen, die nur ein Mensch auf der Welt durchführen kann, der den Nobelpreis für Medizin gewonnen hat.
Und möge er nicht imstande sein, die Operation durchzuführen, weil er deine Versicherung nicht anerkennt. Und möge dieser Medizinnobelpreisträger dein Sohn sein!« Oder: »Mögest du bald zu deinen Vorfahren versammelt werden, die allesamt sozialistische Angestellte der Kleiderindustrie waren!«
Erfolg Ganz schön gemein. Sogar jemand, der von Haus aus nicht unbedingt den Demokraten zuneigt, muss zugeben: Diese Website ist sehr lustig. Sie ist außerdem erfolgreich. Viereinhalb Millionen Menschen in aller Welt sollen sie schon aufgerufen haben, »darunter vier im Iran, die ich gern alle zum Kaffee einladen würde«, schreibt Rachel Shukert.
Offenkundig konnte eine solche Idee nur von jemandem geboren werden, der Jiddisch noch aus nächster Nähe erlebt hat. Rachel Shukert ist Amerikanerin der zweiten Generation – für sie war Jiddisch also eine Großelternsprache. Doch um die entscheidende Frage kommen wir nicht herum: Warum gibt es solche saftigen Flüche nicht auch von der Gegenseite? Wo, bitte, bleiben die »Yiddish Curses for Jewish Democrats«? Sollte das schreckliche Gerücht wahr sein, dass Konservative über keinen Humor verfügen? Dann soll der schlimmste Fluch von allen gelten: »Mögen deine Kinder, Freunde, Geschwister, Nichten und Neffen dir jeden Tag den Link zu dieser Website schicken!«
www.yiddishcursesforrepublicanjews.com