Frankreich

Soldaten vor Synagogen

»Opération Sentinelle«: Soldaten bewachen ein Bethaus im 19. Pariser Arrondissement. Foto: dpa

Rund 1700 gefährdete Objekte in ganz Frankreich werden seit den Pariser Anschlägen auf den Redaktionssitz der Satirezeitschrift Charlie Hebdo und den koscheren Supermarkt Hyper Cacher im Januar 2015 besonders geschützt. Im Rahmen des inzwischen mehrmals verlängerten nationalen Notstands rief die Regierung dazu ein Sicherheitsprogramm ins Leben: die »Opération Sentinelle« (Operation Wachposten). Demnach unterstützt das Militär die Polizei bei der Terrorismusprävention.

Zu den als gefährdet eingestuften und von insgesamt rund 10.000 Soldaten geschützten Orten gehören unter anderem religiöse Institutionen sowie Gottes- und Bethäuser. Etwa ein Viertel davon sind Orte jüdischen Lebens.

Daniel Bensoussan, der Vorsitzende der kleinen, ungefähr 800 Familien zählenden südfranzösischen Gemeinde Menton, hebt den positiven psychologischen Effekt der verstärkten Sicherheitsvorkehrungen hervor. Und der für die Sicherheit zuständige Mitarbeiter der jüdischen Gemeinden im Département Alpes-Maritimes, Yohan (er möchte nicht, dass sein vollständiger Name in der Zeitung steht), stimmt ihm zu: »Die Familien sind weniger ängstlich und eher bereit, am Gottesdienst und an anderen Veranstaltungen teilzunehmen.« Bensoussan sieht allerdings auch die Kehrseite der Medaille: Manche Veranstaltungen können untersagt werden. So musste im Herbst das traditionelle Taschlich-Ritual am Strand von Menton, bei dem die Sünden ins Meer gespült werden, ausfallen.

Sicherheit Da es sich bei dem Ausnahmezustand um eine staatliche Verordnung handelt, bleiben die Sicherheitsvorkehrungen nicht dem Ermessen der jüdischen Gemeinde überlassen. Doch Yohan betont, es würde stets im Einvernehmen mit den Gemeinden entschieden. Was, über das Ziel der gefühlten Sicherheit hinaus, die tatsächliche, konkrete Effizienz der Operation Wachposten betrifft, so ist Yohan überzeugt: »Die Maßnahme wirkt nicht allein abschreckend, sondern erlaubt ebenso reaktive Gegenangriffe, wie es sich besonders in Nizza bereits bewährt hat.«

Dass Terroristen allerdings Lücken im System und Wege finden können, die Sicherheitsvorkehrungen zu umgehen, räumen sowohl er als auch Bensoussan ein. Exakt an dieser Stelle setzt die Kritik von Fachleuten an. So fragt Michel Goya, Oberst der Landstreitkräfte, in seinem Blog sarkastisch: »Verhindern Pfosten etwa Überschwemmungen?« Der Chefredakteur der von der Hochschule für Nationale Verteidigung herausgegebenen Zeitschrift »Défense« setzt nach, die Soldaten seien für derartige Polizeiaufgaben nicht genügend trainiert.

Kosten Die Maßnahme wird zwar größtenteils vom Staat bezahlt, doch beteiligen sich sowohl die französisch-jüdische Dachorganisation CRIF als auch diverse Verbände und ein Sozialfonds an der Finanzierung.

Während Yohan die Notwendigkeit der Militärpräsenz uneingeschränkt bejaht, sieht es Bensoussan etwas differenzierter: »Vielleicht würde in kleinen Gemeinden wie unserer die Polizei ausreichen.«

Hört man die spontane Bemerkung des jungen Mentoneser Rabbiners Shalom Betito, so stellt man sich die Frage, ob die »Opération Sentinelle« möglicherweise auch eine Art Boomerang-Effekt hat: »Bevor die Synagoge bewacht wurde, wusste kaum jemand, dass es überhaupt eine gibt!«

Wer die Soldaten fragt, wie sie ihre ungewöhnliche Aufgabe erleben, erhält unterschiedliche Antworten. Von einer dankbaren Familie zur Barmizwa-Feier eingeladen, erklärt ein junger Rekrut: »Wir tun es, und das mit Herz.«

Irland

Der Präsident soll nicht reden

Wenn es nach der jüdischen Gemeinschaft geht, soll Michael D. Higgins, irischer Staatspräsident, in diesem Jahr nicht bei der Gedenkfeier zum Holocaust-Gedenktag sprechen

von Michael Thaidigsmann  16.01.2025

Ungarn

Abschied von der ältesten Olympiasiegerin

Die legendäre Turnerin Ágnes Keleti ist in Budapest gestorben – nach einem langen, außergewöhnlichen Leben voller Medaillen

von Martin Krauß  15.01.2025

Frankreich

Iris Knobloch bleibt Präsidentin des Filmfestivals Cannes

Sie ist die erste Frau an der Spitze des Festivals

 15.01.2025

Porträt

Die Krankenschwester und der Urwalddoktor

Vor 150 Jahren wurde Albert Schweitzer geboren. An seiner Seite wirkte seine Frau Helene Schweitzer Bresslau – eine Heldin, die oft vergessen wird

von Anja Bochtler  15.01.2025

USA

Betrug mit Corona-Hilfen? Jewish Voice for Peace zahlt mehr als halbe Million Dollar zurück

Um einer Verurteilung zuvorzukommen, zahlt die Organisation freiwillig 677.634 Dollar

von Ralf Balke  15.01.2025

Kalifornien

»Es ist okay, nicht okay zu sein«

Wie die jüdische Gemeinschaft in Los Angeles mit den verheerenden Bränden umgeht – ein Zeugenbericht

von Jessica Donath  13.01.2025 Aktualisiert

Essay

Ritt ins Verderben

Gedanken eines österreichischen Juden zu einer möglichen Kanzlerschaft des Rechtsextremisten Herbert Kickl

von Vladimir Vertlib  12.01.2025 Aktualisiert

Frankreich

Zuflucht vor Mobbing

Weil die Zahl antisemitischer Vorfälle dramatisch steigt, nehmen immer mehr jüdische Eltern ihre Kinder von öffentlichen Schulen und schicken sie auf private. Eine Erkundung in Paris

von Florian Kappelsberger  12.01.2025

Polen

Duda würde Netanjahu nicht verhaften lassen

Am 27. Januar jährt sich die Befreiung von Auschwitz zum 80. Mal. Kommt der israelische Ministerpräsident trotz eines Haftbefehls gegen ihn?

 09.01.2025