Herr Platt, welche drei Dinge fallen Ihnen spontan ein, warum es großartig ist, jüdisch zu sein?
Die unglaubliche Gemeinschaft und menschliche Wärme! Wir haben gerade einen Podcast aufgezeichnet, und da waren so viel Liebe, Unterstützung und tolle Menschen im Raum. Dann die Traditionen innerhalb der Familie, die ich so sehr liebe.
Und als Drittes?
Dass wir mit Ideen ringen, dass wir anderer Meinung sein dürfen, dass wir dazu ermutigt werden zu graben, finde ich fantastisch.
Aus dem Ringen und Graben ist Ihr Podcast »Being Jewish« entstanden. Wie genau hat der angefangen?
Im Frühling 2021 habe ich mich online bereits für jüdische Belange starkgemacht. Es kam zur Gewalt zwischen Israel und Gaza, und ich habe angefangen, meine Plattform, die ich mir durch meine Karriere im Entertainment aufgebaut hatte, zu nutzen. Die war nicht groß, aber ich habe mich darin versucht, zu erklären, was da gerade passiert. Es war eine wirre Zeit! Die Leute haben nicht wirklich verstanden, was da passierte. So viele verstehen ja auch heute nicht, was sie in den Nachrichten sehen. Ich wollte etwas bei der Aufklärung helfen. Aber das war damals mehr ein Hobby. Meine Zeit und Energie habe ich anderswo konzentriert. Schnitt zum April 2023, als ich mit dem Tel Aviv Institute Israel besucht habe. 20 Influencer aus aller Welt wurden zusammengebracht, alles Juden, die die unterschiedlichsten Dinge machen. Kennen Sie Mirna Funk?
Natürlich.
Sie war auch da. Ich hatte noch nie eine deutsche Jüdin getroffen, die über diese Dinge schreibt. Es war einfach cool, sehr inspirierend. Und als ich wieder nach Hause kam, wollte ich mehr tun. Da habe ich das erste Mal an einen Podcast gedacht. Es sollte etwas Leichteres sein. Ich wollte immer »Juden wieder cool machen«, normalisieren, Juden über jüdische Dinge reden zu lassen. Man muss kein Rabbi sein oder einer jüdischen Institution angehören, um jüdische Unterhaltungen zu führen. Aber das war alles natürlich vor dem 7. Oktober 2023.
Und danach?
Das war Öl ins Feuer meines Engagements und meiner Leidenschaft, mehr Zeit damit zu verbringen. Zwischen Oktober 2023 und Januar 2024 habe ich so viel Zeit und Konzentration in die jüdische Gemeinschaft gesteckt – in Online-Auftritte, Q-und-As, mit Menschen reden, lesen. Es war mein ganzes Leben! Da habe ich beschlossen, mit dem Podcast anzufangen. Nicht so nebenbei, sondern professionell und seriös sollte er sein, um bemerkenswerte Juden zu zeigen, die sonst nicht viel über ihr Jüdischsein sprechen. Um ihnen eine Plattform zu geben, um Vorbilder zu präsentieren. Ein Video pro Woche, das ich plane und schreibe, um zu zeigen, wie unterschiedlich es aussieht und sich anfühlt, jüdisch zu sein. Weil so viele Menschen auf der Welt, Juden inklusive, immer noch nicht wirklich verstanden haben, wie unterschiedlich Juden aussehen und sich fühlen können.
Nach dem 7. Oktober waren Schmerz, Wut und Angst so groß, dass es schwer vorstellbar ist, dass man sich hinsetzt und hoch konzentriert an einer Idee feilt.
Das hat viel mit mir zu tun. Ich bin zwar sehr sensibel, aber kein sehr gefühlsbetonter Mensch. Ich denke zu logisch, um von Gefühlen überwältigt zu werden. Bei mir kommen Daten und Fakten zuerst. Aber ich bin mir bewusst, dass viele Menschen überwältigt wurden von dem, was passiert ist. Und weil ich so ruhig und konzentriert bleibe, kann ich mich hinsetzen und etwas schaffen, das den Menschen hilft, denen das schwerer fällt als mir.
Ihre Monologe vor den Interviews sind pures Empowerment. Wie lange braucht die Vorbereitung?
Ich verbringe mehr Zeit damit, über sie nachzudenken, als sie aufzuschreiben. Das dauert nur ein bis drei Stunden, und dann zeige ich das Resultat zweien meiner Produzenten: Einer ist ein liberaler homosexueller jüdischer Mann und die andere eine orthodoxe republikanische Frau. So gehe ich sicher, dass es aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln gelesen wird.
Das ist ein cleverer Ansatz.
Niemand in meinem Team ist so wie ich. Das ist Absicht, ich will verschiedene Standpunkte, damit mir nichts entgeht, woran ich selbst nicht denken würde.
Haben Sie einen Monolog, der Ihnen besonders am Herzen liegt?
Das Thema »Schlechte Juden« ist mir extrem wichtig. Ich weiß, dass der Podcast vielen geholfen hat, da gab es besonders zahlreiche Rückmeldungen. Die Botschaft »Jeder Jude sollte seine Identität voll und ganz leben, egal, was die anderen denken« ist so wichtig! Wir werden die antijüdische Bigotterie niemals überwinden können, wenn wir als Juden unser Jüdischsein nicht selbst für uns beanspruchen. Die anderen werden es uns nicht geben, wir müssen es uns nehmen. Aber zuallererst möchte ich, dass die Menschen sich in ihrem Jüdischsein wohlfühlen und dass sie all das lieben können, was ich am Jüdischsein liebe. Das gilt für alle! Eine andere Folge, auf die ich stolz bin, sind die vier Regeln der Konversation. Auch weil sie so universell sind. Es geht über die jüdische Gemeinschaft hinaus, und jeder kann es in irgendeiner Weise nutzen.
Woraus schöpfen Sie Kraft? Sie scheinen eine Menge davon zu haben.
Ich erfahre enorme Unterstützung durch die Menschen um mich herum. Ich habe in meiner Karriere schon vieles gemacht, aber meine Frau, meine Freunde, meine Geschwister, meine Eltern, meine Tanten und Onkel, meine Cousins und Cousinen waren noch nie so stolz auf mich, wie sie es jetzt sind. Das ist ein tolles Gefühl, und das gibt mir eine Menge Kraft. Und dann natürlich auch die Anerkennung und Unterstützung durch das Publikum. Wenn ich sehe, dass ich mit etwas ins Schwarze treffe, dass es Einfluss auf Menschen hat und ihr Leben verändert, dann ist das unglaublich, es macht mich so glücklich und motiviert mich weiterzumachen. Und schließlich, wie es meine Interviewpartnerin Patricia Heaton nannte: Es ist wie Atmen. Für mich fühlt es sich ganz natürlich an. Das ist es, was wir tun müssen. Wir müssen unsere Stimme erheben, natürlich müssen wir unsere Halsketten tragen. Natürlich müssen wir uns Verbündete suchen. Also mache ich es!
Ist Ihnen wegen Ihrer Kette mit dem Davidstern jemals etwas passiert?
Nur Positives. Ich habe viele Kommentare von Juden und Nichtjuden bekommen. »Ich liebe Ihre Halskette«, »Ich liebe Ihren Anhänger«. Ich glaube, die Leute wären überrascht, wenn sie wüssten, wie sehr sie vom Durchschnittsbürger unterstützt werden. Es gibt nicht nur die Radikalen und College-Kids, die wir in den Nachrichten sehen. Es gibt eine Menge anderer, zumindest in Amerika.
Ich wollte gerade sagen, dass es in Europa ein bisschen anders aussieht.
Ja, wir haben hier nicht die Art von muslimischer und arabischer Bevölkerung, die es in Europa gibt.
Würden Sie sagen, dass Ihnen auch die Existenz Israels Kraft gibt?
Absolut! Das ist fester Bestandteil der jüdischen Erfahrung. Die Tatsache, dass Israel existiert, ermöglicht alles andere. Als Israel auf den iranischen Raketenangriff reagiert hat, dachte ich: So sieht »Nie wieder!« aus. Wir stoppen unsere Feinde aus eigener Kraft. Wir warten nicht auf jemand anderen. Wir passen auf uns selbst auf. Ich war vergangenen Oktober dort. Nie habe ich mich mehr zugehörig gefühlt als bei diesem Besuch. Das ist definitiv etwas Positives nach dem 7. Oktober, dass die israelischen Juden verstehen, wie verbunden wir sind. Ich glaube, die israelischen Juden haben uns Diaspora-Juden immer als diejenigen abgetan, denen es nicht wichtig genug war, nach Israel zu kommen. Jetzt merken sie, dass wir mitkämpfen. Sie führen den echten Krieg, die physische Verteidigung, und wir kämpfen global auf der psychologischen, visuellen Ebene.
Haben Sie jemals daran gedacht, Alija zu machen?
Dafür liebe ich meine Freunde und meine Familie zu sehr. Ich wohne 15 Minuten von meinen Eltern entfernt, ich könnte definitiv nicht 6000 Meilen von ihnen entfernt leben.
In Ihrem Gespräch mit dem Polit-Kommentator Van Jones sagte der, das kollektive Verständnis, dass der Holocaust schlecht ist, sei verschlissen. Was macht das mit Ihnen?
Hier komme ich wieder mit meiner Logik. In den 30er-Jahren lautete das Mantra in Europa: »Zieh den Kopf ein. Es wird vorbeigehen. Sie werden uns in Ruhe lassen.« Das hat nicht funktioniert! Wir haben diese Variante ausprobiert. Wir wissen, was wir zu verlieren haben, wenn wir uns so verhalten. Was haben wir also zu verlieren, wenn wir uns gegen die Bullys wehren und laut und stolz sind? Lasst es uns versuchen! Lasst uns etwas anderes ausprobieren!
Das macht Sinn.
Es waren immer nur vorübergehende Lösungen. Irgendwann war es immer vorbei, und sie fanden einen Grund, die Juden zum Sündenbock zu machen und sie zu verfolgen. Ob sie nun die wichtigsten Mitglieder der Gesellschaft waren oder nicht. Das spielt keine Rolle. Der Judenhass wird immer da sein. Wir müssen uns etwas anderes ausdenken. Und das Einzige, was wir noch nicht wirklich versucht haben, ist, dass wir uns als Volk einig sind, dass wir diesen Mist nicht mehr hinnehmen werden!
Womit wir bei der nächsten Frage sind. Wie gehen Sie mit Wut um?
Ich setze sie in Taten um. Etwas macht mich wütend, was soll ich dagegen tun? Ich kann hier sitzen und mich beschweren, oder ich kann versuchen, etwas zu ändern und in irgendeiner Weise Einfluss zu nehmen. Also beschreibe ich, was genau passiert, damit die Menschen verstehen können, was mich so wütend macht. Ich sage es laut, wende es gegen die Leute, die mich damit angegangen sind, und sage: »Hey, das hat mich wütend gemacht, aber der Typ ist ein Heuchler. Und das ist der Grund dafür. Das ist die Person, die sich in diesem Moment unwohl fühlen sollte. Die Person, die im Jahr 2024 ein Heuchler ist.«
Eine andere Ihrer Stärken ist, dass Sie die Diskussion am Laufen halten, egal wie unterschiedlich die Meinung des anderen ist. Das kann ziemlich an die Nerven gehen.
Ich genieße es, mit Leuten zu diskutieren. Ich habe meine Frau nicht geheiratet, weil sie mit allem, was ich sage, einverstanden ist. Ich lerne gern. Ich mag es, mich durch neue Informationen, die mir andere Menschen geben können, weiterzuentwickeln.
Aber es ist manchmal so anstrengend.
Selbst wenn ich nicht einverstanden bin, wachse ich an der Auseinandersetzung mit der anderen Idee, und das kann sogar meine eigene Meinung schärfen, weil ich die andere Idee in Betracht gezogen habe. Ich kann also nur gewinnen. Wir müssen in unserer Gesellschaft die Angst vor Debatten ablegen! Wenn wir Debatten mit sachlichem Respekt voreinander angehen – was manchen Menschen schwerer fällt als anderen –, sind wir in der Lage, auch schwierige Gespräche zu führen. Solange wir uns in gutem Glauben und mit Respekt annähern, sollte das kein Problem sein.
Danke für dieses wirklich aufbauende Gespräch. Sie sollten ein Buch aus den Monologen machen.
Das ist, ehrlich gesagt, schon in Planung.
Mit dem Schauspieler, Sänger, Drehbuchautor und Influencer sprach Sophie Albers Ben Chamo.