Während in Teilen der Vereinigten Staaten noch emsig Stimmen ausgezählt werden, gibt es bereits einige Gewissheiten. Wenig überraschend ist der Sieg der 82-jährigen Nancy Pelosi in Kalifornien. Am Mittwochvormittag Ortszeit stand es in ihrem »District 11« 81,4 zu 18,6 Prozent für sie. Die Demokratin, Repräsentantenhaussprecherin und Katholikin, die auch für pro-israelische Positionen bekannt ist und schon allein deshalb viele jüdische Wähler haben dürfte, überholte ihren republikanischen Herausforderer John Dennis souverän.
An der Ostküste, im District 2 von Virginia, rund um Virginia Beach, gelang der Abgeordneten Elaine Luria dieses Kunststück nicht. Die frühere Marinekommandeurin hat ihre jüdische Herkunft nie versteckt. Weithin bekannt wurde sie vor allem, als sie im Repräsentantenhaus in einem Ausschuss aktiv war, der sich mit dem Coup-Versuch des früheren Präsidenten Donald Trump im Kapitol vom 6. Januar 2021 beschäftigte. Sie verlor am Dienstag das Rennen gegen die Republikanerin Jen Kiggans, eine frühere Hubschrauberpilotin, die ebenfalls bei der Marine tätig war. Aus jüdischer Sicht ist Elaine Lurias Niederlage keine gute Nachricht, auch da sie die »israelkritischen« Abgeordneten ihrer eigenen Partei heftig kritisierte.
Mehrheitsführer Bessere Nachrichten gab es für jüdische Wähler und Wählerinnen in New York, die traditionell stark dazu tendieren, Demokraten zu wählen, egal ob für das Oval Office, den Gouverneurssitz, das Repräsentantenhaus oder den Senat. Wenn ihr Kandidat dann auch noch jüdisch ist und eine gute Figur macht, wie dies nach Ansicht vieler von ihnen bei Chuck Schumer der Fall ist, ist kein Halten mehr. Schumer, dessen lange Kongresskarriere gerade verlängert wurde, besiegte den Republikaner Joe Pinion mit 55,9 zu 43,2 Prozent. Dieses Ergebnis ist knapper, als Schumer es in mehreren Wahlen seit 1999 gewohnt war. Er ist nun der dienstälteste New Yorker Senator aller Zeiten. Im vergangenen Jahr wurde Schumer als Mehrheitsführer des Senats der ranghöchste jüdische Amtsträger, den die USA jemals hatten.
Am Dienstag wurde der 29. jüdische Gouverneur in der Geschichte des Landes gewählt.
Während man jüdische Ministerpräsidenten in Deutschland mit der Lupe suchen muss, wurde in den Vereinigten Staaten soeben der 29. jüdische Gouverneur in der Geschichte des Landes gewählt, und zwar in Pennsylvania. Im Wahlkampf hatte Josh Shapiro offen über sein Judentum gesprochen und seinem republikanischen Gegner Doug Mastriano Nähe zu Antisemiten vorgeworfen. Selbst die »Republican Jewish Coalition«, die zu seiner eigenen Partei gehört, kritisierte den von Donald Trump unterstützten Mastriano. Der neue Gouverneur Josh Shapiro war bisher Oberstaatsanwalt seines Bundesstaates. Viele jüdische Wähler identifizieren sich mit ihm, unter anderem weil er den Schabbat hält und seinen Kindern das Judentum näherbringt.
Iron Dome Der Sieg des künftigen Senators John Fetterman in Pennsylvania dürften Jüdinnen und Juden sowohl mit ermöglicht, als auch mit Interesse verfolgt haben. Er hatte vor den Wahlen betont, er werde sich um das amerikanisch-israelische Verhältnis kümmern, da es »geschützt, unterstützt und genährt« werden müsse. Fetterman setzt sich dafür ein, dass die USA dem jüdischen Staat helfen und kritisierte Parteikollegen scharf, die sich unlängst gegen die amerikanische Co-Finanzierung des Raketenabwehrsystems »Iron Dome« wandten.
Eher unerfreulich für die jüdische Klientel dürfte der Sieg von Summer Lee in Pennsylvania sein. Die links angesiedelte Demokratin, die nun Abgeordnete wird, hat dem American Israel Public Affairs Committee (AIPAC) zufolge eine »gefährliche Sichtweise« in Zusammenhang mit den amerikanisch-israelischen Beziehungen, weshalb die Organisation erhebliche Mittel in Wahlwerbung gegen sie investierte. Dennoch gewann Lee deutlich, was sich bereits lange vor dem Abschluss der Auszählungen in Pennsylvania abzeichnete.
Gouverneurin Im Bundestaat New York, in dem rund zwei Millionen Jüdinnen und Juden leben – allein in New York City sind es mehr als eine Million –, darf die Demokratin Kathy Hochul, die erst im vergangenen Jahr zur ersten Gouverneurin überhaupt wurde, im Amt bleiben. Dies ist für jüdische Amerikaner auch deshalb interessant, weil ihr Herausforderer Lee Zeldin nicht nur Jude ist, sondern auch von Ronald Lauder finanziell unterstützt wurde. Lauder, der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, ist seit jeher Republikaner und unterstützt seine Parteikollegen großzügig.
Die vor 62 Jahren in Buffalo geborene Kathy Hochul lebt in der Kleinstadt Hamburg in Erie County (New York). Sie siegte mit 52,7 Prozent über Lee Zeldin, der mit 47,3 Prozent sehr nah an sie herankam. Zeldin gehört einer Reformsynagoge in Oakdale an und gilt als Trump-Unterstützer. Einen Tag nach dessen Coup-Versuch 2021 im Kapitol gab Zeldin immerhin zu, dass der Demokrat Joe Biden neuer Präsident sein würde.
Die Katholikin Kathy Hochul schien mehr Unterstützung von jüdischen Wählerinnen und Wählern bekommen zu haben als der jüdische Zeldin, unter anderem weil sie für schärfere Waffengesetze eintritt und für andere moderate Positionen steht.
NIEDERLAGE In Florida mussten zwei jüdische Politiker bei diesen Midterm Elections Niederlagen einstecken. Dort verloren die Demokraten Eric Lynn und Alan Cohn im 13. und 15. Bezirk die Wahlen zum Repräsentantenhaus. Generell waren die Republikaner in Florida sehr stark.
In Colorado gewann der jüdische Senator Michael Bennet, der Sohn einer Holocaust-Überlebenden, gegen seinen republikanischen Herausforderer. Jared Polis, der erste jüdische Gouverneur des Staates und zugleich der erste homosexuelle Inhaber dieses Amtes, wurde wiedergewählt.