Es ist eine große und sehr französische Zeremonie, die am Mittwoch im Innenhof des Invalidendoms in Paris abgehalten wird. Sie beginnt mit Trommelwirbel. Soldaten tragen gerahmte Fotos von 42 Menschen herein. Ein Geiger spielt das Kaddisch in einer Komposition des französischen Komponisten Maurice Ravel. Der Staatspräsident hält eine Ansprache. Ein Chor singt die Marseillaise, die französische Nationalhymne. Die Bilder werden, begleitet von Trauermusik des Orchesters der Republikanischen Garde, wieder hinausgetragen.
Auf den Tag genau vier Monate nach den verheerenden Terroranschlägen der Hamas auf israelischem Territorium gedachte Frankreich seiner 42 ermordeten Staatsbürger. Präsident Emmanuel Macron höchstpersönlich hatte Angehörige der Opfer nach Paris eingeladen. Viele waren gekommen, die meisten aus Israel.
Macron hielt eine bewegende Ansprache, in der er den 7. Oktober als »eine Barbarei, die verbrennt und zerbricht, die missbraucht und tötet« bezeichnete. Das »größte antisemitische Massaker unseres Jahrhunderts«, nannte er es, wohl wissend, dass noch nicht einmal ein Viertel des 21. Jahrhunderts vorüber ist. Der 7. Oktober war jedoch auch für Frankreich das schlimmste Attentat seit dem islamistischen Terroranschlag auf der Uferpromenade von Nizza im Sommer 2016, bei dem 86 Menschen starben.
Zahlreiche der am 7. Oktober in Israel Ermordeten nannte Emmanuel Macron in seiner Rede beim Vornamen. Ganz Frankreich trauere um die Opfer des Terrorangriffs. Auch die französischen Geiseln, die sich immer noch in der Gewalt der Hamas befinden, nannte der Präsident beim Namen: »Ihre leeren Stühle stehen hier: Orion, Ohad, Ofer.«
Er hob hervor, dass die vielen jungen Opfer in den Kibbuzim und auf dem Nova-Technofestival »von pazifistischen Überzeugungen geprägt« und bereit gewesen seien, »das palästinensische Leid zu hören, das die Terroristen mit Füßen traten, obwohl sie vorgaben, es zu verteidigen.«
»Aus Liebe gestorben«
Macron erwähnte die »Abschiedsbotschaften dieser jungen Menschen, die wussten, dass sie sterben würden, und die ihren Eltern einen letzten Ausdruck von Liebe und Dankbarkeit schickten«, und er lobte den »Mann, der sich zwischen die Explosion einer Granate und seine beiden Kinder stellt und ihr Leben rettet, auf Kosten des eigenen.« Diejenigen, die aus Hass töten wollten, so der Präsident, seien auf jene gestoßen, die bereit waren, »aus Liebe zu sterben«.
Auch wenn nicht alle der französischen Opfer des 7. Oktober in Frankreich zur Welt gekommen seien, seien sie doch Franzosen gewesen, sagte Macron. »Sie waren aus Frankreich, weil sie Frankreich in ihrem Herzen trugen. Sie waren aus Frankreich, weil sie seine universellen Ideale anstrebten, weil sie unser Land liebten und seine Sprache lernten, in seine Kultur eintauchten und es nie verließen.«
Die Gesichter der Toten seien hier, »an diesem Ort«, sagte Macron mit Verweis auf die Fotos der 42 Opfer. Diese Menschen hätten eine »unauslöschliche Spur in unserem Leben hinterlassen.« Die Grande Nation vergesse keines seiner Kinder, betonte der Staatschef. In den Momenten der Trauer und der Prüfungen werde man sich nicht »entzweien lassen«, sondern »geeint bleiben«.
Vielleicht waren Macrons Worte stellenweise etwas großspurig, vor allem, als er sagte: »68 Millionen Franzosen sind durch die Terroranschläge vom 7. Oktober in Trauer versetzt worden«. Vielleicht waren sie mehr als ein Appell denn als Zustandsbeschreibung gedacht. Denn entgegen der Behauptung Macrons schlägt auch in Frankreich Israel viel Ablehnung entgegen, vor allem von der linken Seite des politischen Spektrums, auf der der Hamas-Terror zwar pflichtschuldig verurteilt wird, gleichzeitig aber ein angeblicher israelischer Völkermord in Gaza beklagt wird.
Vertreter der linkspopulistischen Partei LFI von Jean-Luc Mélenchon waren beim Gedenken im Invalidenhof dennoch vertreten, auch wenn einige Demonstranten vor dem Invalidendom riefen »LFI, assassins!«. Ebenso anwesend war die Führerin des rechten Rassemblement National, Marine Le Pen. Auch Premierminister Gabriel Attal und mehrere Kabinettsmitglieder waren zum Festakt gekommen, genauso wie sechs von Attals Vorgängern sowie Macrons Vorgänger, François Hollande.
Michael Tordjman, Vater des beim Nova-Festival ermordeten Avidan, lobte die Initiative Macrons für eine Gedenkfeier. Im Fernsehsender »France 5« sagte er, die Einladung an die Angehörigen der Opfer, nach Paris zu kommen, spende diesen nur Trost und Zuversicht.