In der Schweiz ist die Zahl der Neuinfektionen mit Covid-19 in den vergangenen Wochen erneut angestiegen. Die Regierung in Bern reagierte darauf, indem sie unter anderem die Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr einführte – eine in anderen Ländern schon länger selbstverständliche Maßnahme.
Risikogruppe Gewisse Lockerungen im öffentlichen Leben sollen nach dem Willen der Schweizer Regierung dennoch nicht infrage gestellt werden. Bei einer sogenannten Risikogruppe, den Bewohnern von Alters- und Pflegeheimen, ist der Alltag, wie man ihn vor Corona gewohnt war, jedoch noch immer nicht eingekehrt.
Das gilt auch für die vier jüdischen Heime der Deutschschweiz. Besuche von Angehörigen, teilweise auch von Freunden und Bekannten der Menschen in den Heimen, sind zwar seit einigen Wochen wieder möglich, inzwischen auch ohne längere Anmeldefrist. Doch wenn es um die Gottesdienste geht, kann von Normalität im Moment noch keine Rede sein.
So versammelt sich etwa im Jüdischen Alters- und Pflegeheim der Hugo-Mendel-Stiftung in Zürich am Schabbat kein Minjan. »Wir erachten die Konstellation zurzeit als zu schwierig und verzichten daher schweren Herzens darauf«, sagt Heimleiter Michael Sutter.
Toralesung Zwar habe man an Schawuot, als die Synagogen in der Schweiz wieder aufmachen durften, gleich einen Gottesdienst durchgeführt, aber das sei eine Ausnahme gewesen. Das Hauptproblem bestehe darin, so Sutter, dass das Gebet, vor allem die Lesung aus der Tora, von Jugendlichen der jüdischen Schule durchgeführt wird. Da es dort jedoch einige Ansteckungen mit dem Coronavirus gegeben habe, halte man das Risiko für zu groß, so sympathisch und wichtig die Begegnung der Generationen auch sei.
Etwas weiter ist man im anderen jüdischen Altenheim der Stadt, der Sikna. Dort finden, wenn auch unter strengen Auflagen, seit Kurzem wieder Gottesdienste statt. Jedoch ist die Zahl der Teilnehmer beschränkt, die von außerhalb ins Haus kommen dürfen.
Keine Gottesdienste werden im christlich-jüdischen Altenheim Holbeinhof in Basel durchgeführt, und das seit Ende Februar. Man sei froh, dass das Haus von Corona-Todesfällen verschont geblieben ist, sagt der stellvertretende Heimleiter Richard Studer. Dies wolle man nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.
ABSTAND Jedoch finden inzwischen im Haus jede Woche wieder christliche Gottesdienste statt. »Dies sind Wortgottesdienste, die von einem Pfarrer oder einer Pfarrerin gestaltet werden – mit entsprechendem Abstand zu den Bewohnern oder mit Schutzmaske.«
Für das Entsprechende auf jüdischer Seite brauche es aber mehr, nämlich einen Minjan, also zehn Männer – und das sehe man problematisch, weil es im Haus nur wenige jüdische Bewohner gibt, die meisten Beter also von außen kommen müssten.
Auch wenn im Holbeinhof derzeit keine jüdischen Gebete stattfinden, habe man doch mit Rabbiner Jakob Pertsovsky, der auch als Maschgiach arbeitet, jemanden im Haus, der sich um die religiösen Bedürfnisse der jüdischen Bewohner kümmert, sagt Studer. Und für diejenigen, die noch rüstig sind, sei außerdem die Synagoge der Israelitischen Gemeinde in Gehdistanz.
ANDACHT In allen Heimen versucht man, den jetzigen Zustand auch dadurch zu entspannen, dass am Schabbat zumindest eine Art Andacht stattfindet, das heißt kurze Gebete sowie eine Lesung aus dem Chumasch statt der eigentlichen Toralesung.
Und obwohl man sich mitten in der Sommerpause befindet, hat in allen Heimen schon das Nachdenken darüber begonnen, wie man trotz Corona an den Hohen Feiertagen im Herbst Gottesdienste durchführen kann.
Da seien vielleicht auch originelle Ideen gefragt, meint Michael Sutter: »Vielleicht muss der Schofar von draußen geblasen werden, vom Hof aus – mit genügend Sicherheitsabstand.«
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