Im Army Shop auf der anderen Straßenseite bleichen die Auslagen aus, nebenan wird Designermode verkauft, weiter unten in der Straße liegt ein Design-Hotel. In der Lerchenfelder Straße 7 aber, da surrt es leise, und wenn Lukas nicht bellt, hört man es auch. Lukas ist ein Beagle, er gehört den beiden jungen Männern, vor denen es surrt.
Wer durch das geschwungene hölzerne 50er-Jahre-Geschäftsportal tritt, stößt auf Hochtechnologie. Hier wird 3D-gedruckt: Vasen, Schalen, Lampen, kleine Möbelstücke, Schmuck oder Mesusot. Aber es sind nicht irgendwelche Stücke, sondern die beiden Männer haben sie selbst entworfen und ihrem Unternehmen den jiddischen Namen »Sheyn« gegeben.
Nicolas Gold und Markus Schaffer erklären, wie es dazu kam, dass sie heute in einer schicken Fast-Innenstadt-Location arbeiten und zusammen »Sheyn« sind. Viele Wege und Leidenschaften sind es, die sie an diesen Punkt geführt haben: Da waren Nicolas’ Ideen, da war Markus’ Unternehmergeist, da war ein Interesse an Technik, eine ausgeprägte Liebe zum Detail, und da war vor allem die gemeinsame Hingabe an schöne Dinge – sheynen Dingen, wie man auf Jiddisch sagen würde.
NAme »Bei mir bistu sheyn«, der Song aus dem Musical Men ken lebn nor men lost nisht aus dem Jahr 1932, der 1938 durch die Andrews Sisters bekannt wurde, gab dem Wiener Unternehmen seinen Namen. Und das nicht ganz zufällig. Das Jiddische zieht sich durch: »Sheyn«-Vasen heißen da etwa »Zayl«, Hocker »Benkl« oder Schüsseln »Bloz«, Schmuckstücke »Golda« oder »Dovid«.
Jiddisch, das ist die Sprache von Nicolas Golds Kindheit. Er ist in Argentinien aufgewachsen. Seine Großeltern waren im frühen 20. Jahrhundert von Polen dorthin ausgewandert. Zwischenzeitlich hat Nicolas dann in Israel gelebt, schließlich ist er in Wien gelandet und hat dort Markus Schaffer getroffen, einen Wirtschaftsinformatiker.
Es sind die Details, die die Objekte ausmachen, die die beiden mit ihren mittlerweile 19 Druckern herstellen.
»Ich komme aus einer modernen Familie«, sagt Nicolas Gold. Und so sieht er auch die Mesusot, die er entwirft. Etwas Neues habe er machen wollen. Er sagt: »Man kann traditionelle Objekte auch anders entwerfen.« Einem traditionellen Objekt ein neues Aussehen geben, das sei der Ausgangspunkt seiner Idee gewesen. Dabei kommt der Designer aus einer anderen Ecke des Entwerfens: Gold hat Architektur studiert. Was er jetzt macht, beschreibt er als »Architektur im Kleinen«.
Denn es sind die Details, die die Objekte ausmachen, die die beiden mit ihren mittlerweile 19 Druckern herstellen. Sowohl die Details im Design als auch jene, die durch die Fertigung selbst entstehen. Schicht für Schicht Material tragen die Drucker auf, bis ein Objekt fertig ist. Durch diese Lagen entsteht zugleich eine kaum spürbare schuppige Struktur, die den Objekten aus der Distanz jedoch eine gewisse Weichheit, etwas Wattiges verleiht.
Preise Nicolas Gold sagt: »Wir versuchen, Stücke zu machen, die schön sind, aber auch die Technik zeigen.« Und das bei Preisen, die keineswegs erschrecken. Gefertigt wird aus Polylactiden, kurz PLA, einem aus Mais gewonnenen synthetischen Polymer. Das war die Entscheidung von Markus Schaffer. Er ist das wirtschaftliche und technische Hirn hinter »Sheyn«. Zur Materialauswahl sagt er: Es sei ihnen beiden wichtig gewesen, einen nachhaltigen, ökologischen Stoff zu verwenden.
Dass »Sheyn« seit November 2020 an einer der besten Adressen Wiens einen eigenen Laden hat, ist auch Schaffers Werk. Angefangen hat alles mit dem »Fesch’markt«, einem bekannten Mode- und Design-Markt in Wien. »Die Vasen waren gleich weg«, erzählt Schaffer. Damit hatten die beiden Männer nicht gerechnet.
Schließlich schafften sie es, ihre Produkte im Shop des Jüdischen Museums der Stadt anzubieten. Dann fiel der Entschluss, einen Laden zu suchen, weil sich das Drucken zu Hause »schlicht nicht mehr ausging«, wie Markus Schaffer sagt. Hinzu kam eine Förderung der Stadt Wien.
Und da stehen sie nun in ihrem Laden. In Regalen an der Wand arbeiten die Drucker. Es surrt. Lukas stibitzt einen Handschuh und hat es auf eine Haube abgesehen. In Regalen überall im Raum stehen die Stücke. »Der Laden wird bereits zu klein«, sagt Markus Schaffer, »denn Anfragen kommen bereits aus aller Welt.«