Ruth Westheimer

Die Grande Dame der Sex-Therapie ist tot

»Dr. Ruth« wuchs in Frankfurt am Main auf und wurde zur wohl bekanntesten Therapeutin der USA

von Christina Horsten  14.07.2024 02:02 Uhr

Ruth Westheimer Foto: imago images/ZUMA Press

»Dr. Ruth« wuchs in Frankfurt am Main auf und wurde zur wohl bekanntesten Therapeutin der USA

von Christina Horsten  14.07.2024 02:02 Uhr

Gerade einmal 1,44 Meter war Ruth Westheimer groß. Aber »wenn Größe in Mut, Entschlossenheit und harter Arbeit gemessen würde, müsste diese kleine Frau 2,50 Meter groß sein«, schrieb der »Newsday« einmal. Die in Deutschland geborene Westheimer überlebte die Schoa und wurde in den USA zu »Dr. Ruth«, der wohl berühmtesten Sex-Therapeutin der Welt. Am Freitag ist Westheimer im Alter von 96 Jahren in Anwesenheit ihrer beiden Kinder gestorben, bestätigte Sprecher Pierre Lehu, mit dem sie auch mehrere Bücher gemeinsam schrieb, der Deutschen Presse-Agentur dpa.

Noch im vergangenen Jahr präsentierte sich Westheimer voller Energie. In Cleveland im US-Bundesstaat Ohio gab es ein Theaterstück über ihr Leben, 2020 erschien der Dokumentarfilm »Fragen Sie Dr. Ruth« und kurz zuvor hatte der deutsche Generalkonsul David Gill ihr in New York das Bundesverdienstkreuz verliehen. Westheimer habe ein »abenteuerliches, unglaublich buntes Leben« und »die Gesellschaft bereichert«, sagte Gill damals.

Ihre Eltern wurden in Auschwitz ermordet

Geboren wird Karola Ruth Siegel 1928 in Wiesenfeld in der Nähe von Frankfurt in eine jüdische Familie hinein. Als Zehnjährige, kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, wird sie mit einem Kindertransport in die Schweiz gebracht. So entkommt sie dem Holocaust, ihre Eltern und die geliebte Großmutter aber sieht sie nie wieder. Ihre Eltern werden von den Nationalsozialisten im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.

Lesen Sie auch

Nach dem Krieg, noch als Teenager, zieht Ruth nach Palästina, wird zur Scharfschützin ausgebildet und kämpft im Untergrund für ein freies Israel. Dabei wird sie von einer Granate schwer verletzt. Danach beginnt sie ein Studium an der Sorbonne in Paris. Ein Scheck der Bundesregierung über 5.000 Mark zur Entschädigung für erlittenes Leid ermöglicht es ihr 1956, in die USA umzusiedeln. Dort setzt sie das Studium fort, heiratet Manfred Westheimer und bekommt zwei Kinder. 1965 nimmt sie die US-Staatsbürgerschaft an.

Durchbruch mit Radio-Show in den 80er Jahren

Den Durchbruch schafft Westheimer Anfang der 80er Jahre mit einer Radio-Show. Mit ansteckendem Rumpelstilzchen-Kichern gibt »Dr. Ruth« Sex-Tipps und jongliert ohne jegliche Hemmung mit Begriffen wie Ejakulation und Masturbation. Dem 15-minütigen Frage- und Antwort-Programm »Sexually Speaking« bei einem New Yorker Lokalsender folgen Einladungen von Fernsehstationen in aller Welt. Hunderttausende suchen im Schutz der Anonymität den Rat der mütterlichen Expertin. »Ihr Name und der ausgeprägte Klang ihrer Stimme sind untrennbar mit dem Thema Sex verbunden«, schrieb die »New York Times« einmal.

»Die Fragen sind überall die gleichen«, sagte Westheimer einmal der Deutschen Presse-Agentur. Zwar brüste sich jedes Land damit, die besseren Liebhaber zu haben. Sie aber könne beileibe keinen Weltbesten erkennen. Purer »Quatsch« sei auch das Bild vom angeblich so puritanischen Amerika im Vergleich zu einem sexuell sehr viel freieren Europa. Mehr als 30 Sex-Ratgeber hat Westheimer verfasst, viele davon sind auch auf Deutsch erschienen.

Jedes Jahr kehrte sie nach Frankfurt zurück

In ihre Heimatstadt Frankfurt kehrte »Dr. Ruth« jedes Jahr zur Buchmesse zurück. »Um den Bahnhof mache ich einen großen Bogen. Aber in meiner alten Wohnung in der Brahmsstraße 8, im Nordend, habe ich mich noch einmal umgeschaut«, erzählte sie einmal. »Es ist schwierig für mich, aber ich gehe stolz und mit geradem Rücken. Hitler hat nicht gewonnen! Er wollte, dass ich sterbe. Stattdessen habe ich jetzt Kinder und Enkelkinder. Damals war es eine Flucht. Jetzt schlafe ich im »Frankfurter Hof«. Wer hätte das gedacht?«

Noch zu ihrem 95. Geburtstag sagte sie auf die Frage, wie sie noch so fit und fröhlich bleibe: »Mein Geheimnis ist, dass ich mich jeden Tag frage: Was kann ich heute Abend machen? Und dann rufe ich jemanden an und wir unternehmen etwas.« Sie habe kein Auto mehr, sondern fahre Taxi, und sie organisiere alle ihre Verabredungen per Telefon, sagte sie damals. »E-Mail benutze ich nicht, aber ich telefoniere den ganzen Tag.«

Irak

Bericht: Israelisch-russische Geisel Elizabeth Tsurkov möglicherweise im Iran

Nachdem die USA im Fall der entführten Elizabeth Tsurkov den Druck auf den Irak erhöhen, heißt es, die Geisel wurde in den Iran verschleppt

 12.03.2025

Belgien

Fantasien über Mord an Juden fallen unter die Meinungsfreiheit

Entsetzen in der jüdischen Gemeinschaft: Ein Kolumnist wurde vom Vorwurf der Aufstachelung zur Gewalt gegen Juden freigesprochen

von Michael Thaidigsmann  12.03.2025

Österreich

Zwei Wochen lang »Shalom Oida«

Das Jüdische Filmfestival in Wien präsentiert die Realität jüdischen Lebens – von Antisemitismus bis Schidduch

von Stefan Schocher  11.03.2025

Frankreich

»Mach hier nicht auf Jude«

Eine Umfrage unter 2000 Jugendlichen zeigt, wie sich antisemitische Vorurteile auch an französischen Schulen ausbreiten

von Michael Thaidigsmann  10.03.2025

Porträt

Der Iberzetser

Dass Russen heute noch Einblick in die jiddische Literatur erhalten, ist vor allem Walerij Dymschiz zu verdanken. Ein Treffen mit dem Sprachmittler in seiner Stammkneipe in St. Petersburg

von Polina Kantor  09.03.2025

Großbritannien

Auf der Couch bei Ms. Freud

Sie ist die Urenkelin des prominentesten Psychologen der Welt. In ihrem Video-Podcast »Fashion Neurosis« stellt Bella Freud die Fragen

von Nicole Dreyfus  08.03.2025

Dokumentation

»Mein Name ist Gal. Und ich bin Jüdin«

Die israelische Schauspielerin Gal Gadot erhielt den International Leadership Award der ADL. Ihre Dankesrede fällt kämpferisch aus

 07.03.2025

Madrid

Polizei fahndet nach Mann mit »Neonazi-Ästhetik«

Im Fall des vereitelten Brandanschlags auf die Pizzeria Rimmon Kosher in Madrid wurde bislang noch kein Verdächtiger verhaftet

 07.03.2025

Jesse Eisenberg

Erst gab es einen Oscar, jetzt die polnische Staatsbürgerschaft

In seinem Film »A Real Pain« nehmen zwei Cousins auf den Spuren ihrer Großmutter an einer Holocaust-Gedenktour in Polen teil

 06.03.2025