Frankreich

Serge Klarsfeld: »Wir müssen vorbereitet sein«

Serge Klarsfeld Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Es ist eine anstrengende, weil beängstigende Lektüre. Doch für Serge Klarsfeld, Holocaust-Überlebender, Anwalt und Frankreichs berühmtester Nazi-Jäger sowie umstrittener Unterstützer von Frankreichs rechter Partei RN, steht fest, dass wir in einer überwiegend antisemitischen Welt leben, »in der sich die Juden nur auf sich selbst verlassen können, um sich zu verteidigen«. So formulierte es der 89-Jährige nun in einem Meinungsstück in der französischen Zeitung »Le Figaro«.

»Unter diesen Bedingungen und in jedem Land, in dem es eine jüdische Gemeinschaft gibt, wäre es angebracht, junge Juden darin zu schulen, den Gefahren, die sie bedrohen, zu begegnen«, steht da unter anderem geschrieben.

Nachdem die vergangenen Jahrzehnte für Juden im Westen und in Israel relativ sicher gewesen seien, könnte die Zukunft weltweit »instabil und gefährlich werden«, so Klarsfeld weiter. »Demografisch starke und dynamische Schwellenländer der Welt«, angeführt vom »Trio Iran-Russland-China«, hätten sich »der palästinensischen Sache angeschlossen« und »betrachten Israel als kolonialen und rassistischen Staat«. Dazu komme die kleine, aber sehr aktive westliche, akademische Jugend, die, insbesondere in den USA, diese Ansicht teile. Was besonders beunruhigend sei, da diese jungen Menschen eines Tages an den Schalthebeln der Macht sitzen werden, »in einem Land, das Israels einziger politischer und militärischer Verbündeter ist«.

Zudem erhöhe »die Einwanderung von Bevölkerungsgruppen, in denen Islamisten zahlreich vertreten sind« in jedem westlichen Land die Gefahr für die dort lebenden Juden. »Sieben bis acht Milliarden Menschen bevölkern die Erde, und die Mehrheit von ihnen hat eine negative Meinung vom jüdischen Staat und den Juden insgesamt, von denen es höchstens 15 Millionen gibt«, schreibt der Jurist und Historiker, dessen Buch über die Kollaboration des französischen Vichy-Regimes mit den Nazis als historisches Standardwerk gilt.

Als Nächstes spricht Klarsfeld von der »militärischen Krise Israels«, das bisher weder »seine Geiseln befreien«, noch die Hamas endgültig ausschalten konnte, dafür aber konstant vom Iran mit einem Atomschlag bedroht wird, sollte das Mullah-Regime je in den Besitz der Bombe kommen.

»Außergewöhnliche Generation mit außergewöhnlicher Verantwortung«

Aus all diesen Gründen fordert Klarsfeld die jüdischen Gemeinschaften aller Länder auf, »junge Juden darin zu schulen, sich den Gefahren zu stellen, die sie und das gesamte Judentum bedrohen«. Als der Antisemitismus 1939 in fast allen europäischen Staaten grassierte, hätten sich »die Juden fälschlicherweise darauf verlassen, dass die Staatsapparate sie verteidigen und nicht verfolgen würden, sowie darauf, dass die Demokratien über Hitler-Deutschland siegen würden. Dies bedeutete ihre Niederlage und das Verschwinden von zwei Dritteln der europäischen Juden.«

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Da Israel bedrohte Juden außerhalb seiner Grenzen kaum schützen könne, sei die Alija eine Möglichkeit, auf die permanent zunehmende Bedrohung zu reagieren, führt er aus. Aber es müsse auch »massiv in jüdische Schulen und jüdische Jugendbewegungen investiert werden, damit junge Juden dorthin gehen und sich als Juden erkennen, die sich der Notwendigkeit einer intellektuellen und körperlichen Ausbildung bewusst sind, die sie stark und vereint machen kann, wenn es um ihre Verteidigung dort, wo sie leben, und um die Sicherheit Israels geht, die Vorrang haben muss«. Dies sei eine »außergewöhnliche Generation« mit einer »außergewöhnlichen Verantwortung für die Zukunft des Judentums«.

»Keine Stimme für Extreme«

Schließlich wirbt er denn auch noch um Anerkennung für »aus der extremen Rechten hervorgegangene Parteien«, die ihre »DNA des Antisemitismus« aufgegeben hätten, und die »zu Unterstützern Israels und Beschützern der Juden vor dem radikalen Islam geworden sind«. Genau solche Aussagen sorgen bei vielen Juden für ungläubige Empörung.

Frankreichs Oberrabbiner Haim Korsia hatte kurz vor der vergangenen Parlaments-Stichwahl im Juni 2024, in der Emmanuel Macron gegen Marine Le Pen und Jean-Luc Melenchon angetreten war, gesagt, der einzig richtige Weg führe durch die schwere See in dem schmalen verbliebenen bürgerlichen Korridor. Keine Stimme für die Extremen, so lautete seine Empfehlung. sal

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