In den vergangenen Wochen hat sich Wolodymyr Selenskyj bereits mehr als ein Dutzend Mal mit Videobotschaften an Politiker in Parlamenten und anderen Gremien weltweit gewandt.
Am Dienstag war der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen an der Reihe. Der ukrainische Präsident trat dabei wie bereits zuvor in seinem olivgrünen Hemd auf und redete auf Ukrainisch zu den 15 Botschaftern, die sich auf Antrag Großbritanniens in New York zu einer Dringlichkeitssitzung versammelt hatten.
KRIEGSVERBRECHERTRIBUNAL In seiner Ansprache ging Selenskyj ausführlich auf das Massaker in Butscha unweit der Hauptstadt Kiew ein. Er beschuldigte Russland, die schlimmsten Kriegsverbrechen seit dem Zweiten Weltkrieg begangen zu haben. »Sie töteten ganze Familien, Erwachsene und Kinder, und versuchten, die Leichen zu verbrennen. Frauen wurden vergewaltigt und vor den Augen ihrer Kinder getötet«, »ihre Zungen herausgerissen«.
Selenskyj forderte auch die Einsetzung eines Kriegsverbrechertribunals nach dem Vorbild der Nürnberger Prozesses 1945/46, bei denen führende Nationalsozialisten abgeurteilt wurden. »Ich möchte die russische Delegation daran erinnern, dass [Hitlers Außenminister Joachim] Ribbentrop nach dem Krieg nicht der Justiz entkommen ist. Und [Adolf] Eichmann auch nicht.« Das Vorgehen des russischen Militärs in der Ukraine verglich der ukrainische Staatschef mit den Methoden der Terrororganisation Islamischer Staat (IS).
Die Vereinten Nationen kritisierte er scharf. »Wo ist die Sicherheit, die der Sicherheitsrat garantieren muss? Es gibt sie nicht, obwohl es einen Sicherheitsrat gibt.« Es sei offensichtlich, so Selenskyj weiter, »dass die wichtigste Institution der Welt, die Aggressionen bekämpfen und den Frieden sichern soll, nicht wirksam arbeitet«. Zweck der Vereinten Nationen sei es schließlich, den Frieden zu erhalten und dafür zu sorgen, dass er eingehalten werde.
NACHKRIEGSZEIT Unmittelbar vor seiner Rede an den Sicherheitsrat hatte sich Selenskyj mit der Zeit nach dem Krieg auseinandergesetzt. Vor Medienvertretern zog er dabei Parallelen zur Situation Israels. Die Sicherheit und Verteidigung der Ukraine werde in den kommenden zehn Jahren allerhöchste Priorität genießen. Soldaten müssten deshalb auch im Innern für den Schutz der Zivilbevölkerung sorgen.
Sein Land könne nicht wie die neutrale Schweiz werden. »Wir werden wie ein großes Israel sein«, sagte Selenskyj und fügte hinzu: »Wir sollten [dann] nicht überrascht sein, wenn wir Vertreter der Streitkräfte oder der Nationalgarde in Kinos und Supermärkten oder bewaffnete Menschen sehen.« Die Israelis seien während ihrer ganzen Geschichte von Feinden umringt gewesen und existierten trotzdem weiter. Die Ukraine werde es Israel diesbezüglich nachtun, so der Präsident, der selbst Jude ist.