Yehudi Sabbagh war von der Twitter-Meldung aus dem Präsidentenpalast sehr überrascht. »Im positiven Sinne«, betont der Präsident der jüdischen Gemeinschaft Guatemalas. An Heiligabend hatte der rechtskonservative Staatschef Jimmy Morales für eine besondere Weihnachtsüberraschung gesorgt.
Der evangelikale Christ teilte seinem »geliebten guatemaltekischen Volk« über das Kurznachrichtenportal mit, er habe mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Verlegung der Botschaft Guatemalas nach Jerusalem vereinbart. »Deshalb informiere ich Sie darüber«, twitterte er, »dass ich den Außenminister entsprechend angewiesen habe, dies umzusetzen.«
Für Yehudi Sabbagh ist Guatemalas Entschluss, als zweiter Staat nach den USA seine diplomatische Vertretung nach Jerusalem zu verlegen, ein logischer Schritt. Das sagte der Gemeindepräsident in einem Interview mit dem Lateinamerikanischen Jüdischen Kongress (CJL). Guatemala, betonte Sabbagh, habe schon bei der Gründung Israels 1948 eine wichtige Rolle gespielt. So sei das mittelamerikanische Land der erste Staat gewesen, der Israel anerkannt habe.
Staatsgründung Seit mehr als 60 Jahren sei die Beziehung zwischen beiden Ländern exzellent, betont der Vorsitzende der rund 1000 Mitglieder zählenden Gemeinde. »Israel hat immer wieder die Rolle Guatemalas bei der Staatsgründung und die bedingungslose Unterstützung und Freundschaft anerkannt« – und sich mit Entwicklungsprogrammen revanchiert.
So wurden im Laufe der Jahre mehr als 8000 Guatemalteken in Israel in den Bereichen Landwirtschaft, Technologie, Medizin und Erziehung ausgebildet. Außerdem schenkte Israel ein Bewässerungssystem sowie Medizin- und Sicherheitstechnik im Wert von mehreren Millionen Dollar.
Wie viel man in Guatemala von Israel halte, zeige sich auch im Verhältnis zur jüdischen Bevölkerung des mittelamerikanischen Landes, sagt Sabbagh. »Juden sind gut angesehen. Zudem ist fast die Hälfte der Bevölkerung christlich-evangelikal, und ihre Wertschätzung gegenüber Israel und dem jüdischen Volk ist sehr groß.« Aber auch zur katholischen Bevölkerung habe die Gemeinde eine Beziehung des gegenseitigen Respekts.
Zahlen In Guatemala leben rund 15 Millionen Menschen, fast die Hälfte sind Maya. Die Zahl der Einwohner mit jüdischen Wurzeln schätzt Sabbagh auf mehr als 10.000. Die jüdische Gemeinschaft unterhält ein Gemeindezentrum sowie eine aschkenasische und eine sefardische Synagoge, beide sind orthodox. Außerdem gibt es ein koscheres Restaurant und einen Supermarkt. Die Gemeinde verfügt über eine gute Infrastruktur: Es gibt eine jüdische Schule, und regelmäßig werden »für mehr als 3000 Gemeindemitglieder Aktivitäten für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Ältere angeboten«, berichtete Yehudi Sabbagh.