Ausstellung

Sefarden in Curaçao

Jüdisches Geschäft: Chaim Kisilevich in seinem Kiosk auf Curaçao, um 1932 Foto: JHM

Ausstellung

Sefarden in Curaçao

Das Joods Historisch Museum Amsterdam zeigt jüdisches Leben in der Karibik

von Tobias Müller  27.04.2015 23:02 Uhr

Es soll Menschen geben, die »Jodensavanne« für einen exotischen Namen halten. Was man in einem solchen Dorf wohl findet? Womöglich einen verlorenen Stamm mitten in der Wildnis? Und wo um alles in der Welt mag es liegen?

Die Plantagen-Niederlassung in Surinam, der einstigen niederländischen Kolonie, wo im späten 17. Jahrhundert weit mehr als 500 Juden wohnten, bekommt im Amsterdamer Joods Historisch Museum (JHM) derzeit einige Aufmerksamkeit. Jodensavanne, heute eine Ruinenstätte, ist einer der Orte, die im Rahmen einer Sonderausstellung in den Fokus rücken. »Joden in de Cariben« ist ihr Titel, »Juden in der Karibik«. Gewidmet ist sie der 400-jährigen Geschichte jüdischen Lebens in früheren niederländisch-westindischen Kolonien.

Schon seit Langem wollte sich das Museum dieses Themas annehmen, so Julie-Marthe Cohen. Die Konservatorin hat innerhalb von zwei Jahren eine Schau zusammengestellt, die ihre Besucher auf eine Entdeckungsreise mitnimmt. Manchem mag das wie eine vergessene Welt vorkommen: jüdisches Leben im brasilianischen Staat Pernambuco, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts von den Niederlanden erobert, in Nieuw Amsterdam, das damals noch nicht New York hieß, auf Curaçao und in Surinam.

Westindien »Das ist ein Stück niederländischer Geschichte, und Amsterdam spielte darin eine Schlüsselrolle«, erläutert die Konservatorin. Gleich am Eingang der Ausstellung nehmen Cohens Worte Gestalt an: So dienten Gegenstände aus der Synagoge der portugiesisch-jüdischen Gemeinde Amsterdams später einer tropischen Gemeinde. Auch Rabbiner und religiöse Traditionen wurden von den Amsterdamer Sefarden übernommen, und die legendäre Synagoge in unmittelbarer Nachbarschaft des Museums diente als Vorbild für die Synagogen in der Neuen Welt.

Historischer Rahmen der Ausstellung ist Amsterdams Stellung als Handelszentrum im 17. Jahrhundert. Der Expansionsdrang der niederländischen Westindien-Kompanie führte zur Gründung von Kolonien. Bei der Erschließung ferner Gebiete waren die Netzwerke der Amsterdamer Sefarden ein wichtiger Faktor. Juden traten als Händler, Versicherer, Siedler und Plantagenbesitzer in Erscheinung.

Sklavenhandel Dazu zählte auch das Geschäft mit Sklaven – seit einigen Jahren ein sehr empfindliches Thema in den Niederlanden. Die Ausstellung stellt sich bewusst dieser Geschichte. Sie zeigt Briefe, in denen Plantagenbesitzer Sklaven bestellten. Die Antilleninsel Curaçao spielte im transatlantischen Sklavenhandel als Drehscheibe eine Schlüsselrolle. Zu sehen sind auch persönliche Briefe aus den Kolonien an Verwandte in Amsterdam, Heiratsverträge oder das Schreiben eines armen Juden, der die Gemeindeverwaltung um Startkapital für einen neuen Anfang in Übersee bittet.

Die Ausstellung folgt zunächst einer historischen Linie und zeigt, wie viele Sefarden über Niederländisch-Brasilien und Neu-Amsterdam in Curaçao und Surinam landeten. Kernstück der Schau ist eine Gegenüberstellung der Juden in Surinam und Curaçao: »Sie haben viel gemeinsam, es gab aber auch wichtige Unterschiede«, sagt Julie-Marthe Cohen. »Die Juden auf Curaçao waren Händler und blieben Teil der weißen Oberschicht. In Surinam waren sie erst Plantagenbesitzer, dann zogen sie von Jodensavanne in die Stadt, nach Paramaribo, wo sie sich viel mehr mit der schwarzen Bevölkerung vermischten.«

Der Ausstellung ist es gelungen, Feinheiten zutage zu fördern. So geht sie auf die Verschmelzung der jüdischen mit der afro-karibischen Kultur auf Surinam ein und erzählt von der Ankunft aschkenasischer Juden in den 20er-Jahren sowie dem Aufkommen des Reformjudentums. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts vereinigten sich sowohl in Curaçao als auch in Surinam die orthodoxe und die liberale Gemeinde. In beiden Ländern leben heute jeweils rund 150 Juden.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 14. Juni.
www.jhm.nl

Israel

Zwei britische Abgeordnete bei Einreise abgewiesen

Der britische Außenminister David Lammy spricht von einem inakzeptablen Vorgehen

 06.04.2025

De Haan

Auf ein Cramique mit Albert Einstein

Brigitte Hochs hält die Erinnerung an den Physiker wach, der an der belgischen Küste Abschied von Europa nahm

von Joachim Heinz  06.04.2025

Großbritannien

Suchmaschine Schidduch

Heiratsvermittlerin Jochewed Grossberger hilft jungen Orthodoxen bei der Suche nach dem richtigen Partner. Einblicke in einen ganz besonderen Nebenjob

von Nicole Dreyfus  06.04.2025

USA

Das bedeuten Trumps Strafzölle für Israel und Juden in Nordamerika

Ab dem 9. April werden 17 Prozent Strafzölle auf Produkte aus Israel fällig

 03.04.2025

Budapest

»Moralischer Holocaust am Ungartum«

Erneut gingen Verdienstkreuze des Landes auch an zwei Prominente, die durch antisemitische Äußerungen aufgefallen sind

von György Polgár  03.04.2025

Todestag

Wenn Worte überleben - Vor 80 Jahren starb Anne Frank

Gesicht der Schoa, berühmteste Tagebuch-Schreiberin der Welt und zugleich eine Teenagerin mit alterstypischen Sorgen: Die Geschichte der Anne Frank geht noch heute Menschen weltweit unter die Haut

von Michael Grau, Michaela Hütig  02.04.2025 Aktualisiert

Nachruf

Die Frau, die den Verschlüsselungscode der Nazis knackte

Im Zweiten Weltkrieg knackten die Briten in Bletchley Park den Verschlüsselungscode der Nazis. Eine der Frauen, die beim Entziffern feindlicher Nachrichten half, war Charlotte »Betty« Webb

von Julia Kilian  01.04.2025

Interview

»Es ist sehr kurz vor zu spät«

Für eine »Restabilisierung« der Gesellschaft und die Verteidigung der Demokratie bleiben höchstens fünf Jahre Zeit, warnt Michel Friedman

von Steffen Grimberg  28.03.2025

Imanuels Interpreten (7)

Peter Herbolzheimer: Der Bigband-Held

Der jüdische Posaunist, Komponist, Arrangeur, Bandleader und Produzent rettete Bigbands, gründete seine eigene und wurde Jazz-Rock-Pionier

von Imanuel Marcus  27.03.2025