USA

Seder in der Wüste

Der Exodus durch die Wüste von Ägypten nach Israel währte laut Überlieferung 40 Jahre – das auch nur ansatzweise nachzuempfinden, wäre in der heutigen Zeit undenkbar. In den Vereinigten Staaten rührt man schon seit rund 20 Jahren auf ganz besondere Weise an die Tradition des Pessachfestes. Dort gibt es unterschiedliche Programme, die Pessach in der Wüste feiern – zwar nur 40 Stunden, aber immerhin.

Jedes Jahr im April kommen Juden aus dem ganzen Land nach Moab im US-Bundesstaat Utah, um sich von »Adventure Rabbi« Jamie Korngold inspirieren zu lassen. »Ich habe das Programm 2008 begonnen, als ich mein vier Monate altes Baby im Autositz in meinem Zelt untergebracht hatte, um es warm zu halten«, berichtet die Reformrabbinerin. »Ich hätte nie gedacht, dass unser Programm einmal derart beliebt werden würde.«

EXODUS Seitdem lädt Rabbi Jamie jedes Jahr zum komprimierten Exodus nach Moab. Nur zweimal in all den Jahren fiel das Pessachtreffen aus: In einem Jahr war Jamie in Israel, und im Frühjahr 2020 verhinderte Corona das spirituelle Wüs­tentreffen.

»Covid hat unseren Programmplan auf jeden Fall verändert«, erzählt Rabbi Jamie den »Boulder Jewish News«. »Im Jahr 2021 brauchten wir Masken und hatten die Gruppe auf etwa 100 Leute reduziert.« Das erste Pessachtreffen nach der Corona-Pause, im April 2022, war nach Meinung von Rabbi Jamie eines der besten überhaupt. »Alle waren so dankbar, dabei zu sein und sicher mit anderen zusammenzukommen.« Wegen Omikron und der nach wie vor bestehenden Unsicherheiten war damals ein Impfnachweis erforderlich und die Teilnehmerzahl auf 150 begrenzt.

So war die Liste mit den Anmeldungen ganz schnell voll. Es konnten nicht so viele Interessenten teilnehmen wie in den Jahren zuvor. Doch viele von denen, die schon länger dabei waren, empfanden das offenbar als angenehm. »Im Jahr 2017 waren es fast 400 Leute! Das war zu viel«, sagte ein Teilnehmer.

Die Wüstenkulisse eignet sich gut, um über Pessach zu sprechen.

»Ich bin immer wieder erstaunt, wie perfekt sich die Wüstenkulisse dazu eignet, über Pessach zu sprechen«, sagt Betsy McIntosh, Vorstandsmitglied von »Adventure Rabbi« und selbst seit vielen Jahren dabei.

ausblicke Die massiven roten Felsformationen, die atemberaubenden Ausblicke und die herausfordernde Natur der Wüste lassen die Geschichte des Pessachfestes auf eine ganz persönliche Art und Weise für jeden Teilnehmer real werden. »Ich liebe es, Pessach im Freien zu feiern, neue Gesichter zu sehen und mit Freunden und der Familie zusammenzukommen« – und vom Rest der Welt abzuschalten. Wer mit Rabbinerin Korngold in Moab Pessach verbringen möchte, der muss auf Handy und Co. verzichten. »Es ist so befreiend, anderen zu sagen, dass man an diesem Wochenende nicht erreichbar ist«, betont ein Teilnehmer. »Ich finde es wunderbar, einfach einmal abschalten zu können!«

Seit vielen Jahren genießen die Teilnehmer ganz bewusst die technikfreie Zeit mit den Gesprächen über Freiheit und Dankbarkeit sowie das traditionelle Pessach­essen, das Caterer Steve Grindley ohne Strom zubereitet.

Sie haben die Feiertage schon bei jedem Wetter erlebt: von Sonnenschein und blauem Himmel bis hin zu strömendem Regen, der Wasserfälle entstehen und die Blumen der Wüste erblühen ließ. »In der Wüste zu sein und ungefiltert die Elemente zu erleben, bringt uns als Gruppe zusammen«, sagt eine Teilnehmerin, die seit Jahren mit ihrer Familie nach Moab kommt.

GEMEINSCHAFT »Die Menschen sehnen sich nach authentischer Gemeinschaft und jüdischen Erfahrungen – und diese Veranstaltung erfüllt alle Kriterien«, erklärt Rabbi Jamie. »Wo wir campen, gibt es keinen Handyempfang und kein WLAN. Ich finde es besonders schön zu sehen, wie die Teenager ihre elektronischen Geräte weglegen und anfangen, miteinander zu interagieren. Sie können sich nicht mit ihren Handys beschäftigen, also müssen sie herausfinden, wie sie sich einbringen und Spaß haben können. Das kriegen sie immer hin!«
Die 57-jährige Reformrabbinerin hat über ihr Erfolgsprogramm ein ähnlich erfolgreiches Buch geschrieben: God in the Wilderness: Rediscovering the Spirituality of the Great Outdoors (2008).

Von Wanderungen bis zu Lagerfeuern, von landschaftlichen Aussichten bis zu improvisierten Liedern, von Meditation bis Mazzeknödel-Suppe – das Essen, so hört man, soll wirklich gut sein. Das knapp dreitägige Treffen bringt Menschen aller Altersgruppen zusammen. Die gemeinsame Geschichte und neue gemeinsame Erfahrungen verbinden sie. In diesem Jahr findet die Zusammenkunft in der Wüste vom 7. bis 9. April statt und umfasst zwei Abendessen, ein Tages- und ein Abendprogramm sowie die Möglichkeit, Kontakte zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu knüpfen.

Szenenwechsel: Auch im Süden Kaliforniens findet man einen Zugang zum Pessachfest über die Natur. Der dortige Veranstalter nennt sich »Wilderness Torah«. Etwa 150 Menschen sind um ein Feuer im Freien versammelt. In der Weite einer langen Wüstennacht singen sie eine gefühlvolle Melodie. Auch sie sind hier, um sich an die Pessach-Geschichte zu erinnern, als die Israeliten Sklaven in Ägypten waren, bevor sie das Rote Meer und danach die Wüste durchquerten.

WILDNIS »Wir machen etwas, das in gewisser Weise neu ist, aber gleichzeitig so alt wie das Judentum und vielleicht sogar noch älter«, sagt Zelig Golden, Geschäftsführer von Wilderness Torah und gleichzeitig Veranstalter des Wüsten-Retreats. Mit seinen Ausflügen in die Mojave-Wüste brachte er es bereits in die »Huffington Post«.

»Die Teilnehmer können in der Wüste neue Verbindungen finden – sowohl zu sich selbst als auch zu anderen. Es gibt hier ein gewisses Mysterium«, sagt Golden, der neben seiner Rabbiner-Tätigkeit Anwalt für Umweltrecht ist. »Man geht hinaus, um allein auf dem Land zu sein. Es kann ein schöner Spaziergang im Sonnenschein oder im Wind sein, aber auch viel mehr.« Nach ein paar Stunden, wenn der Tag in die Abenddämmerung übergeht, kehren alle ins Lager zurück. Die Gruppe versammelt sich erneut um ein Feuer, um zu singen, zu tanzen und zu feiern.

Teilnehmerin Marks ist hierhergekommen, weil sie sich mit einer Spiritualität verbinden wollte, die sie in ihrem täglichen Leben nicht spürt. »Ich liebe an Wilderness Torah, dass die Tage mit so viel Gesang, Musik, Gebet und Lehre gefüllt sind«, sagt sie. »An keinem anderen Ort empfinde ich eine so tiefe spirituelle Verbindung zum Judentum und zu Gott.«

verbindung Das ist genau die Art von Verbindung, die Wilderness Torah zu inspirieren hofft und in der Zelig Golden seine neue Rolle als Anwalt der Natur gefunden hat. Und natürlich sind die vier Tage vom 6. bis 10. April im Panamint Valley längst ausverkauft.

Lagerfeuer, Meditation und Mazzeknödel-Suppe: Viele Teilnehmer sind begeistert.

Jenseits der stillen Töne und der Einsamkeit bebt jedes Jahr im Frühjahr die Wüste, wenn das Coachella Valley Music and Arts Festival stattfindet – eines der größten Musik- und Kunstfestivals der Welt. Die recht teure und bei etlichen Topstars sehr beliebte Veranstaltung (in diesem Jahr vom 14. bis 16. und vom 21. bis 23. April) fand im vergangenen Jahr während der Pessachtage statt – und es gab sogar einen Sederabend dort.

Der Rapper Kosha Dillz, der mit bürgerlichem Namen Rami Matan heißt, bot im Schabbat-Zelt auf dem Coachella-Gelände kostenlose Pessach- und Schabbat-Aktivitäten für die Konzertbesucher an. »Weil jeder, der hier ist, seinen Seder zu Hause verpasst, gibt es hier einen kostenlosen Seder für die Camper«, sagte Kosha Dillz damals dem »Jewish Journal«.

zufluchtsort Es ist eine gute Gelegenheit, die Menschen für das Judentum zu begeistern. Pessach ist ein positiver, wunderbarer Feiertag. Es gibt Mazzot, Wein, Traubensaft und kalte Getränke. Das Schabbat-Zelt ist eine Art Zufluchtsort inmitten der chaotischen Atmosphäre eines Festivals, insbesondere des Coachella.« Und dazu gab es Rap von Kosha Dillz.

Coachella zieht jedes Jahr rund 100.000 Besucher an. Darunter sind auch viele jüdische Musikfans, die wie ihre Vorfahren Pessach im Freien und in der Wüste feiern können.

Viele von ihnen werden auf dem Coachella-Campingplatz übernachten, und genau dort sind Kosha Dillz und das Schabbat-Zelt zu finden, das jüdische Konzertbesucher am wöchentlichen Ruhetag willkommen heißt und Gastfreundschaft bietet. Die Wüste lebt – auch an Pessach und am Schabbat.

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