Nachdem vergangene Woche bereits Staats- und Regierungschef aus mehr als drei Dutzend Ländern nach Israel gereist waren, um am World Holocaust Forum in der Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem teilzunehmen, richtet sich die internationale Aufmerksamkeit nun auf Auschwitz-Birkenau.
In Oswiecim findet am Montag wieder die offizielle Gedenkfeier zum 75. Jahrestag der Befreiung des deutschen Vernichtungslagers durch sowjetische Truppen am 27. Januar 1945 statt. Rund 200 Schoa-Überlebende, offizielle Delegationen aus mehr als 50 Ländern sowie hochrangige Vertreter internationaler Organisationen haben ihr Kommen angekündigt. Aus Deutschland wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier samt einer großen Delegation erwartet. Israels Präsident Reuven Rivlin wird ebenfalls anreisen.
Eingangstor Wie schon bei der letzten großen Gedenkfeier im Jahr 2015 wurde wieder ein beheiztes Zelt aufgebaut, um zu verhindern, dass die hochbetagten Überlebenden wie in früheren Jahren stundenlang in der Kälte ausharren müssen. Das riesige Zelt vereinnahmt auch wieder die Fassade des berüchtigten Eingangstors zum Todeslager Birkenau, durch das die Züge mit den deportierten Juden hin zur Selektionsrampe fuhren.
Das offizielle Programm der Gedenkfeier am Nachmittag ist im Vergleich zur Veranstaltung in Yad Vashem straffer: Vier Auschwitz-Überlebende sollen das Wort ergreifen. Auch Polens Präsident Andrzej Duda, der Schirmherr des Ganzen, wird eine Ansprache halten. Beim World Holocaust Forum in Jerusalem war ihm dies verwehrt worden, woraufhin Duda seine Reise nach Israel abgesagt hatte.
Russlands Staatschef Wladimir Putin wird nicht bei der Gedenkfeier erscheinen.
Russlands Staatschef Wladimir Putin, der in jüngster Zeit mehrmals mit scharfen antipolnischen Bemerkungen aufgefallen war, wird nicht bei der Gedenkfeier in Oswiecim erscheinen. Von den Polen war er gar nicht erst eingeladen worden.
Auch der Direktor des Auschwitz-Museums, Piotr Cywinski, wird eine Ansprache halten. Vor ein paar Tagen hatte er in der »Times of Israel« scharf gegen das World Holocaust Forum gewettert, welches er als Konkurrenzveranstaltung zum Gedenken in Auschwitz wahrnehme. Dennoch freute sich Cywinski, dass so viele Staatsgäste und Überlebende an der Gedenkfeier teilnehmen wollen. Die meisten wüssten, dass es »schwierig sei, an so einem Tag woanders zu sein«, erklärte er.
world Jewish Congress Wie 2015 wird auch der Präsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC), Ronald S. Lauder, Gelegenheit zu einem Grußwort bekommen. Der amerikanische Philanthrop hat bereits Millionen an Auschwitz-Birkenau gespendet. Er sitzt der »Auschwitz-Birkenau Memorial Foundation« vor, welche Spenden für den Unterhalt der Gedenkstätte einwirbt, vor allem in den USA.
Am Vorabend des offiziellen Gedenktags lädt der Jüdische Weltkongress die Überlebenden und Vertreter jüdischer Gemeinden aus der ganzen Welt zu einem Treffen ein.
In einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit der »Zeit« erklärte Lauder, er sei »stolz, dass wir diesen Gedenkort erhalten konnten. Wie sonst sollen künftige Generationen eine Vorstellung von dem Grauen bekommen, das so viele Juden durchlitten haben? Ohne Denkmal kein Gedenken.«
Der »Bild«-Zeitung (Montagsausgabe) sagte er, Auschwitz sei »der teuflische Zenit alles Bösen« gewesen, zu dem der Antisemitismus führen könne. Besonders der »Anblick der Kinderschuhe, die dort zu Tausenden liegen«, sei etwas, das er persönlich nicht vergessen könne.
»Wenn ich dann einen Kinderschuh sehe, in dem noch eine Socke steckt, weil das Kind alles ordentlich machen wollte – dann kommen mir noch immer die Tränen, weil dieses kleine Wesen ermordet wurde und nie eine Chance hatte«, so der 75-Jährige.
Am Vorabend des offiziellen Gedenktags lädt der Jüdische Weltkongress die mehr als 100 Überlebenden und ihre Begleiter sowie Vertreter jüdischer Gemeinden aus der ganzen Welt zu einem Treffen in ein Krakauer Hotel ein.
Zeitzeugen Dort blickten auch mehrere Zeitzeugen auf die NS-Gräuel zurück, die sie am eigenen Leib erfahren hatten. Einer davon war der 95-jährige Ralph Hackman, der seine Eltern in Treblinka verloren, selbst Auschwitz und einen Todesmarsch überlebt und erst spät, auf das Drängen seiner Enkel hin, angefangen hatte, über das Erlebte zu sprechen. »Es nimmt mir eine Last von den Schultern, dass ich jetzt Studenten und anderen Leuten davon berichten kann«, sagte er. »Das bedeutet mir sehr viel.«
Bereits seit einigen Tagen läuft zum vierten Mal die WJC-Kampagne »We Remember«, bei der Menschen weltweit aufgefordert sind, sich mit einem »We Remember«-Schild zu fotografieren und dieses Bild dann in den sozialen Netzwerken zu teilen.
Die bislang beim WJC eingegangenen Fotos wurden auf einer Großbildleinwand neben den Ruinen des ehemaligen Krematoriums in Birkenau gestreamt. Auch auf Twitter, Facebook und Instagram wird der Hashtag #WeRemember geteilt. Ronald Lauder freut sich: Die Resonanz sei groß, die Zahl der Teilnehmer gigantisch, sagte er der »Bild«. mth