In der Schweiz soll künftig das öffentliche Zeigen von Nazi-Symbolen wie Hakenkreuz oder Hitlergruß strafbar sein. In Bern befürwortete der Nationalrat, eine der beiden Parlamentskammern der Eidgenossenschaft, am Donnerstag einen Antrag der Aargauer Nationalrätin Marianne Binder-Keller – und das, obwohl die Föderalregierung, der Bundesrat, das Vorhaben ursprünglich abgelehnt hatte.
141 der 200 Abgeordneten der Kammer votierten für ein Verbot, 42 stimmten dagegen. Der Ständerat, die zweite Parlamentskammer, muss sich noch zu dem Vorhaben äußern. Allerdings wächst damit der Druck auf den Bundesrat, schnell einen Gesetzentwurf vorzulegen. »Es geht meines Erachtens um eine Selbstverständlichkeit, nämlich darum, dass keine Nazifahnen aufgestellt werden sollen und keine Hitlergrüße erlaubt sind«, sagte Binder-Keller. Das Verherrlichen des Nationalsozialismus dürfe im öffentlichen Raum nicht länger hingenommen werden.
2009 hatte der Nationalrat ein ähnliches Vorhaben noch mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Damals sollten auch andere, als rassistisch eingestufte Symbole vom Verbot umfasst werden. Nun soll ein enger gefasstes Gesetz kommen, das sich ausschließlich auf NS-Symbole bezieht.
meinungsäußerung Der Bundesrat hatte ursprünglich argumentiert, es bedürfe keines neuen Gesetzes, da das geltende Recht in der Schweiz es schon jetzt erlaube, die Verwendung von NS-Symbolen unter gewissen Umständen zu bestrafen. Zudem würde ein komplettes Verbot die freie Meinungsäußerung einschränken. Allerdings kam ein ebenfalls vom Bundesrat in Auftrag gegebener Bericht zu der Auffassung, dass eine Gesetzesänderung durchaus machbar sei.
Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) und andere jüdische Verbände hatten sich seit Längerem für eine striktere Rechtslage eingesetzt. Gerade während der Proteste gegen die coronabedingten Einschränkungen im öffentlichen Leben kam es auch in der Schweiz immer wieder zu Vorfällen, bei denen NS-Symbole zum Einsatz kamen.
DURCHBRUCH Bislang ist das Zeigen von Hakenkreuzen oder der Hitlergruß in der Schweiz nur dann strafbar, wenn er offen darauf abzielt, andere Personen zu beeinflussen. Sowohl der SIG als auch Binder-Keller halten das nicht für ausreichend: »Wenn wir einen Sonnenschirm mit Tabakwerbung locker aus den Blicken von Kindern verbannen können, in den Schirmständer jedoch eine Nazifahne stecken, dann ist das absurd«, sagte die Politikerin.
Auch der SIG zeigte sich zufrieden. Ein spezielles Verbot sei der effektivste Weg. Er erlaube die Definition «eines klaren und nachvollziehbaren Katalogs an nationalsozialistischen Symbolen und die Schaffung geeigneter strafrechtlicher Maßnahmen”, so der SIG in einer Reaktion auf den Beschluss.
SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner nannte den Beschluss des Nationalrats »auch in dieser Deutlichkeit ein wirklich starkes Zeichen«. Vergangene Woche hatte der Bundesrat die Errichtung eines Holocaust-Mahnmals beschlossen. »Das ist wirklich ein Durchbruch im Umgang mit der eigenen Vergangenheit, der so vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre«, sagte Kreutner der Jüdischen Allgemeinen.