Die Liste der europäischen Regierungen, die seit diesem Herbst über die Anerkennung eines palästinensischen Staates diskutieren, wächst beständig. Beschlossen jedoch hat sie bislang nur Schweden.
Für großes Aufsehen sorgte daher in den ersten Dezembertagen eine Meldung aus Brüssel: Die neu gewählte belgische Regierung aus Liberalen, Christdemokraten und flämischen Nationalisten bereite eine Resolution zur Anerkennung Palästinas vor, über die schon bald im Parlament abgestimmt werden soll. Darüber seien sich die Koalitionsparteien in Brüssel einig, berichtet die Tageszeitung Le Soir.
Bedingungen »Wir sind für eine Zweistaatenlösung. Die zentrale Frage muss aber sein: Wann und unter welchen Bedingungen?«, zitiert die belgische Nachrichtenagentur Belga Außenminister Didier Reynders vom liberalen Mouvement Réformateur (MR).
Das Rauschen im Blätterwald übertönte bisweilen diese wichtige Nuancierung, die offenbar selbst innerhalb der Parlamentsmehrheit durchaus diskutiert wird. Belga zitiert in diesem Zusammenhang eine eher beschwichtigende anonyme Quelle: »Wir wollen zeigen, dass es keine Diskussion über das Prinzip gibt. Belgien bleibt Befürworter einer Anerkennung. Aber das kann man nur ein Mal tun.«
Auch Reynders selbst trat kurz nach dem Bekanntwerden der Pläne auf die Bremse: Ein Beschluss über die Anerkennung stehe noch lange nicht auf der Tagesordnung, so der Außenminister, und müsse in Zusammenarbeit mit Israel und Europa erfolgen.
Sorge Just die Dynamik auf EU-Ebene aber gibt im jüdischen Belgien auch Anlass zur Sorge. Mit einer Anerkennung zum jetzigen Zeitpunkt laufe Europa Gefahr, seine objektive Rolle als vermittelnder Akteur zu verlieren, so Raphael Werner, Vorsitzender des Forum der Joodse Organisaties (FJO), der jüdischen Dachorganisation im Norden Belgiens. Werner betont, Vorbedingung müsse die Anerkennung Israels durch die Palästinenser sein.
Maurice Sosnowski, der Präsident des Comité de Coordination des Organisations Juives de Belgique (CCOJB), hält die Nuancierung des Regierungsvorschlags für angebracht. Eine Anerkennung Palästinas an sich sei kein Problem, so Sosnowski. Entscheidend aber seien deren inhaltliche Bedingungen. Die vermeintliche Eile des Projekts erklärt sich der CCOJB-Präsident mit der aufgeheizten politischen Situation.
»Die Regierung steht unter Druck. Mit ihrem Schritt will sie einem eigenen Antrag der Opposition zuvorkommen. Der wäre mit Sicherheit radikaler und würde auf eine unilaterale Anerkennung Palästinas hinauslaufen.« Vor diesem Hintergrund begrüße er die Regierungsinitiative – umso mehr, als die frankophone Parti Socialiste (PS) für ihren propalästinensischen Standpunkt bekannt ist. Erst im November hatte die frühere Ministerin und heutige PS-Europa-Abgeordnete Marie Arena gefordert, Belgien solle dem Beispiel Schwedens folgen.
Entwurf Dirk van der Maelen, Abgeordneter der flämischen Sozialdemokraten (sp.a), legte bereits einen eigenen Entwurf vor, der die Anerkennung Palästinas als »nötigen ersten Schritt« einer Zweistaatenlösung vorsieht, da er beide Akteure »auf Augenhöhe am Verhandlungstisch« bringe.
Viviane Teitelbaum, langjährige liberale Abgeordnete im Brüsseler Regionalparlament, unterstützt dagegen die Regierungsinitiative – als Politikerin und als Jüdin. »Prinzipiell stimme ich der Anerkennung zu, wenn sie an bestimmte Bedingungen geknüpft ist. Es ist eine Frage des richtigen Zeitpunkts, aber dieser Zeitpunkt ist noch nicht gekommen.«