Kirmes in Antwerpen! Die ganze Stadt ist auf den Beinen, es geht zum traditionellen Pfingstjahrmarkt auf den Docks der Schelde. Vor einer grellrosa Bude wartet eine Gruppe junger Chassiden auf ihr Softeis: schwarze Hosen, weiße Hemden, schwarze Samtkippot, einige haben die Ärmel hochgeschlagen. Wer sagt, Gottesfürchtige dürften sich nicht amüsieren?
Diese Szene ist ein typisches Motiv für den Fotografen Dan Zollmann, der 1964 geboren wurde und im jüdischen Diamantenmilieu Antwerpens aufwuchs. Innenansichten aus den chassidischen Kreisen seiner Stadt, die für Außenstehende sehr geschlossen wirken, sind das zentrale Thema seiner Arbeit. Besonderes Augenmerk legt Zollmann dabei auf zufällige Alltagsbegegnungen zwischen jüdischen und nichtjüdischen Einwohnern sowie auf Kontraste zwischen modernem Stadtleben und dem traditionellen orthodoxen Umfeld.
mILIEU Das Joods Historisch Museum in Amsterdam widmet Zollmanns Fotografien ab Mitte September eine Ausstellung mit dem Titel »Shtetl in the City – Antwerp through the lens of Dan Zollmann«. Begleitet wird sie von Gegenständen und Kleidern, die von einem Leben im chassidischen Milieu erzählen. »Es ist auch für uns eine besondere Ausstellung«, so Kuratorin Mirjam Knotter. »Hinter den Fotos steht eine ganze Welt, darum haben wir sie um einen edukativen Teil ergänzt.«
Die Bilder, für die Zollmann mehrere Preise bekommen hat, entstanden in den Jahren 2006 bis 2011. »Ich habe mich über die Feste angenähert«, erläutert er sein Vorgehen, »dann ist es oft leichter zu fotografieren – besonders an Purim, wenn die Türen der Häuser ohnehin offen stehen.« Zollmann, selbst nicht aus streng orthodoxem Haushalt, kommt zugute, dass er von chassidischen Rabbinern abstammt und daher in Antwerpen bekannt ist. »Trotzdem wurde ich am Anfang auch mal vor die Tür gesetzt. Jetzt, wo ich Preise gewonnen habe, sieht das anders aus.«
kONTRASTE In welchem Spannungsfeld Zollmann sich bewegt, illustrieren zwei gegensätzliche Bilder: Einmal sind da vier Männer, die an Purim beschwingt über ein regennasses Trottoir im jüdischen Viertel laufen. Vier kleine Mädchen in roten Kostümen und mit Regenschirmen schauen ihnen verwundert nach. Andererseits sieht man einen Ladenbesitzer inmitten seiner Regale, der sich eine Hand vors Gesicht hält, weil er nicht erkannt werden möchte.
Wer sich zu Fuß durchs Diamantenviertel nahe des Antwerpener Hauptbahnhofs oder in der Gegend rund um den Stadtpark bewegt, kann in den Bäckereien, Hutläden oder Spielzeuggeschäften die Kulissen für Zollmanns Bilder entdecken. »Am Schabbat gibt es Momente, da finde selbst ich es spektakulär, hier umherzulaufen«, sagt Aaron Malinsky, der als Reiseführer Touren durch das jüdische Antwerpen anbietet und dem Amsterdamer Museum bei der Vorbereitung der Ausstellung half.
Zollmanns Bilder gehen einen Schritt weiter: Sie nehmen den Betrachter mit hinter Türen, die ihm ansonsten verschlossen bleiben. Ob beim Snack nach dem Morgengebet oder beim Warten auf den Rabbi im Satmar-Gemeinschaftshaus: Stets versucht der Künstler, auf entspannte Weise ein zeitgenössisches Bild der chassidischen Gemeinschaft in all ihren Facetten zu zeichnen.