Malmö im Eurovisions-Fieber. Schon vor fünf Wochen ließ die Verwaltung der südschwedischen Stadt das Logo des Gesangswettbewerbs auf der Statue Karl X. Gustavs anbringen. Nun prangt auf der Schulter des einstigen Königs der bunte Schmetterling, mit dem das schwedische Fernsehen SVT den Eurovision Song Contest 2013 (ESC) international vermarktet. Dazu der Slogan »We are one«. Malmö tut alles, um als bunt und weltoffen wahrgenommen zu werden.
Aber das wirkliche Leben sieht anders aus. Von »blankem Hohn« sprechen Mitglieder der jüdischen Gemeinde der Stadt. Auch im Rest des Landes zog man vergangenen Sommer die Augenbrauen hoch, als SVT bekannt gab, die weltweit größte Fernsehunterhaltungsshow werde nicht in Stockholm, sondern in Malmö ausgetragen.
Eine Eurovision der kleinen Wege solle es werden und näher an den Fans, erklärte man – deshalb auch der verhältnismäßig kleine Veranstaltungsort. Die Malmö-Arena fasst rund 12.000 Zuschauer, beim Eurovision Song Contest vor zwei Jahren in Düsseldorf konnten dreimal so viele Besucher dabei sein. Fans weltweit zeigten sich enttäuscht. Warum ausgerechnet Malmö?
Bombenanschläge Die Stadt taucht bisher im schwedischen Fernsehen vor allem dann auf, wenn es um Gang-Kriminalität, Raubüberfälle und Bombenanschläge geht. International ist Malmö durch antisemitische Auswüchse zu trauriger Berühmtheit gelangt. Juden, die mit Kippa unterwegs sind, werden auf den Straßen angepöbelt, bespuckt oder verprügelt – vor allem von jungen Männern mit Migrationshintergrund.
Verständnis für diese Männer hat immer wieder Malmös führender Sozialdemokrat gezeigt, der langjährige Bürgermeister Ilmar Reepalu. Den attackierten Juden hingegen gab er eine Mitschuld an den antisemitischen Anschlägen. Viele in Malmö wohnende Araber hätten schließlich Verwandte im Nahen Osten, die unter Israel litten, erklärte Reepalu.
Wegen der vielen Berichte über den zunehmenden Antisemitismus in Malmö gaben internationale jüdische Organisationen Reisewarnungen aus. US-Präsident Barack Obama schickte einen Sondergesandten, der sich ein Bild von der Lage machen sollte. Dabei gab sich die Stadtverwaltung kleinlaut: Natürlich werde man »alles tun, damit sich die ungefähr 1000 jüdischen Mitbürger genauso zu Hause fühlen wie alle anderen auch«, erklärte man. Doch gebessert hat sich nichts. Im Gegenteil. Reepalu sagte, Malmös Juden hätten dafür gesorgt, dass die rechtspopulistischen Schwedendemokraten in der Region erstarkt sind und die Islamophobie anheizen. Vertreter der bürgerlichen Parteien warfen Reepalu daraufhin vor, bei muslimischen Wählern punkten zu wollen.
sicherheit Viele fragen sich, wie man ausgerechnet in Malmö israelische Fans und die Delegation um die israelische Sängerin Moran Mazor schützen will. »Israel ist natürlich immer ein Problem«, sagt Carl-Axel Andersson, Sicherheitsbeauftragter bei der Malmöer Polizei für den Eurovision Song Contest. Man sei wachsam und habe »alles im Griff«. Besondere Körperscanner wie an Flughäfen sind rund um die Arena aufgebaut, denn Terrorgefahr ist auch in der ESC-Geschichte nichts Neues.
»Die schwedischen Sicherheitskräfte werden das schon hinbekommen«, gibt sich Isaac Bachman, Israels Botschafter in Stockholm, zuversichtlich. Das Land habe »aus der Vergangenheit gelernt«. Damit meint er die Ausschreitungen von 2009, als linksradikale und arabischstämmige Jugendliche das Davis-Cup-Tennisturnier zwischen Schweden und Israel in Malmö massiv störten. Polizisten wurden verprügelt, mehrere Einsatzwagen gingen zu Bruch. Im Vorfeld hatte es Boykottaufrufe gegeben: Israelische Sportler sollten sich als »Vertreter ihres Apartheidstaates« in Schweden nicht willkommen fühlen, wetterten selbsternannte Antifaschisten.
Der »Kompromiss«, für den sich Malmö unter Bürgermeister Reepalu damals entschied, sah so aus: Man ließ die Davis-Cup-Spiele vor leeren Zuschauerrängen austragen, weil man sonst die Sicherheit der Israelis nicht hätte gewährleisten können.
Warum das jetzt beim Song Contest besser gelingen soll, wenn Moran Mazor am 16. Mai im zweiten Halbfinale ihr Lied Rak bischvilo vortragen wird, bleibt das Geheimnis der Veranstalter.
Kippa-Wanderung Ohnehin steht die Malmöer Polizei am 18. Mai, dem Finaltag, noch vor einer anderen Herausforderung: Die Jüdische Gemeinde und das »Komitee gegen Antisemitismus« rufen zu einer sogenannten Kippa-Wanderung quer durch die Stadt auf. »Das Datum ist bewusst gewählt«, sagt der Initiator Jehoshua Kaufman. »Wir fordern Solidarität mit den drangsalierten Juden Malmös.« Der Song Contest sei ein guter Anlass, um auf den Antisemitismus in der Stadt hinzuweisen, meint er – und fügt hinzu: »Im Grunde bräuchten wir so eine Kippa-Wanderung hier jede Woche.«