Ein seltsamer Streit wird in mehreren Dutzend US-Bundesstaaten ausgefochten: Es geht darum, ob religiöse Gesetze in Familienangelegenheiten Vorrang haben. Anlass ist ein geplantes Gesetz in Florida, die »Application of Foreign Law in Certain Cases Bill«.
Es würde religiösen Organisationen verbieten, verbindliche Urteile für ihre Mitglieder zu Ehescheidungen, Kindesunterhalt und Umgangsrecht zu treffen. Ursprünglich zielte der Gesetzesentwurf darauf ab, die Scharia zu verbieten. Doch möglicherweise würde sie auch rabbinisches Recht unterbinden, insbesondere die Scheidung vor einem Beit Din, die von Zivilgerichten bislang anerkannt wird.
Florida Der Senat in Florida hat das Gesetz allerdings vorerst abgelehnt. Das Repräsentantenhaus hingegen und auch der konservative Gouverneur Rick Scott sind dafür. Inzwischen werden ähnliche Gesetze in 30 Bundesstaaten diskutiert oder sind bereits beschlossen. Minnesota, wo viele Muslime leben, hat eine solche Regelung gerade wieder aufgehoben. Anders als dort ist in Florida die Zahl der Muslime vergleichsweise gering, doch leben in dem Bundesstaat viele jüdische Familien.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass diese »Anti-Scharia-Gesetze« auf David Yerushalmi, einen chassidischen Anwalt aus Crown Heights, zurückgehen. Yerushalmi, der aus einer Siedlung in der Westbank stammt, zog nach dem 11. September 2001 nach Brooklyn. Sein Ziel war es, die muslimische Einwanderung zu begrenzen. Er gründete SANE, die Society of Americans for National Existence, und fing an, Lobbyarbeit in Washington zu machen. Zu seinen Mitstreitern zählen Frank J. Gaffney, ein führender Beamter in der einstigen Reagan-Regierung, und Blogger wie Pamela Geller und Robert Spencer.
Tea Party Erfolg hatte die Initiative aber erst 2009 mit der rechtspopulistischen Tea Party, allerdings nicht in Washington, sondern in mehreren Bundesstaaten, vor allem im Süden. Unterstützung bekommt Yerushalmi auch von den republikanischen Bewerbern um die Präsidentschaftskandidatur, Newt Gingrich und Rick Santorum.
Der erste dieser Gesetzesentwürfe wurde 2010 in Oklahoma verabschiedet. Da das Gesetz aber explizit die Scharia nannte, kassierte es das Verfassungsgericht wieder. Denn in den USA ist es verboten, einzelne Religionen auszusondern.
Deshalb ist es in Florida nun neutral formuliert worden – was dazu führt, dass nicht nur muslimische, sondern auch christliche und jüdische Gruppen wie die Anti-Defamation League vor den Auswirkungen warnen.
Eugene Volokh, ein Juraprofessor aus Kalifornien, sagte der jüdischen Wochenzeitung Forward, das Gesetz könne Einwanderern Probleme bereiten, die nach den Regeln ihres Heimatlandes leben. Und das American Jewish Committee (AJC) fordert, Foreign Law Bills präziser zu formulieren. AJC-Jurist Mark Stern glaubt, dass sie ohnehin kaum Auswirkungen haben, denn bereits jetzt hätten Bundesgesetze Vorrang.