Am Freitagmittag um zwölf Uhr geht es los: Mit der Eröffnungsfeier im Olympiastadion von Pyeongchang beginnen die 18. Olympischen Winterspiele. Vor den beiden Teilnehmern aus Indien und nach den 122 italienischen Athleten wird die israelische Mannschaft in die Arena einlaufen. Wie schon bei den Spielen vor vier Jahren im russischen Sotschi wird Vladislav Bykanov die blau-weiße Fahne tragen. Diesmal allerdings ist das Team aus Israel größer als je zuvor. Waren es bis dato maximal fünf Athleten, sind jetzt gleich zehn Sportler mit dem Magen David auf dem blau-weißen Trikot dabei.
Das ist eine ganze Menge für ein Land, das nicht gerade als Wintersportnation bekannt ist. Abgesehen von dem kleinen Skigebiet am Berg Hermon ist Israel eher warm und trocken – Schnee und Eis sind dort in der Regel rar. So muss ein Sportler wie Adam Edelman, der nach eigenen Angaben erste orthodoxe Jude, der bei Olympischen Winterspielen dabei ist, vorwiegend außerhalb Israels trainieren. Edelman betreibt Skeleton, eine Sportart, bei der man mit dem Kopf voran auf einem kleinen Schlitten mit 130 Stundenkilometern eine Eisbahn hinunterjagt. Eine solche Eisbahn gibt es in Israel nicht.
Glatteis Die meisten israelischen Athleten freilich treten im Eiskunstlauf an. Gleich sieben Sportler wagen sich in
Pyeongchang für Israel aufs Glatteis. Unter ihnen sticht besonders Oleksij Bytschenko heraus. Der in Kiew geborene Einzelläufer begann seine internationale Karriere im Team der Ukraine, ehe er ab 2011 für Israel startete. 2016 wurde Bytschenko Vize-Europameister und damit der erste Israeli, der bei einer Eiskunstlauf-EM auf dem Treppchen der Medaillisten stand. Der gerade 30 Jahre alt Gewordene performte bereits zu »Hawa Nagila« – und dürfte in Pyeongchang Israels größte Medaillenhoffnung sein.
Zu den sieben Eiskunstläufern kommt mit Fahnenträger Vladislav Bykanov ein weiterer Athlet mit Kufen unter den Schuhen hinzu. Der im ukrainischen Lemberg geborene Eisschnellläufer holte im Januar bei der Europameisterschaft in Dresden immerhin die Bronzemedaille. Komplettiert wird die israelische Olympiamannschaft durch Itamar Biran, einen 19 Jahre alten alpinen Skifahrer, der in London geboren wurde.
Neben den Israelis gibt es noch einige andere jüdische Athleten. So ist der 23-jährige Eiskunstläufer Jason Brown Teil des US-Teams. Außerdem tritt in Korea auch der kanadische Eiskunstläufer Dylan Moscovitch an, Silbermedaillengewinner von Sotschi – und zertifizierter Krav-Maga-Lehrer.
Schaliach Wer genau in welcher Sportart in Pyeongchang antritt und vielleicht sogar gewinnen könnte – das alles interessiert Osher Litzman nicht so sehr. Dennoch ist er »stolz auf jeden Juden, der hier seinen Sport ausübt«, sagt der 35-Jährige im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen.
Litzman ist Rabbiner der einzigen jüdischen Gemeinde Koreas. Auf der Halbinsel gab es vor dem 20. Jahrhundert praktisch keine Juden. Das Gemeindeleben begann eigentlich erst 2008 mit der Ankunft von Rabbi Litzman. Der gebürtige Israeli ging damals zusammen mit seiner Frau Mussy im Auftrag der orthodoxen Bewegung Chabad Lubawitsch als Schaliach, Gesandter, nach Seoul.
Inzwischen leben einige Hundert Juden in Südkorea. Vorwiegend sind es Angehörige der dort stationierten US-Streitkräfte sowie Diplomaten, Geschäftsleute und Studenten, die in dem ostasiatischen Land einen Teil ihres Studiums absolvieren.
Die Litzmans sorgen für koscheres Essen und betreiben eine kleine Sonntagsschule. Andere Einrichtungen fehlen allerdings noch. So hat die Gemeinde noch keine Mikwe und keine reguläre Schule. Am Schabbat kommen in der Regel 40 bis 50 Beter in die Synagoge, an den Hohen Feiertagen können es auch 100 bis 200 sein.
Diese Zahl dürfte während der Olympischen Spiele aber deutlich steigen. Schließlich kommen neben den israelischen Athleten und einigen weiteren jüdischen Teilnehmern aus anderen Ländern auch zahlreiche Zuschauer zu den Wettkämpfen nach Pyeongchang. »Wir erwarten Tausende Gäste«, erzählt Rabbi Litzman voller Vorfreude und fügt hinzu: »Wir werden Schabbatkerzen ausgeben und Challot verteilen.«
Teffilin Insgesamt drei Mal wird während der zweiwöchigen Spiele Schabbat gefeiert. Litzman will den jüdischen Teilnehmern und Zuschauern auch darüber hinaus die Möglichkeit geben, ihr Judentum zu praktizieren: »Wir laden die Menschen ein, die Tora zu studieren, Tefillin zu legen und ihr jüdisches Erbe besser kennenzulernen.«
Neben zwei stationären Zentren will Litzman die Menschen auch mit einem mobilen Restaurant versorgen. »Wir werden überall im verstreuten Olympischen Dorf unterwegs sein«, sagt der Rabbiner im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen, »und wir sind offen für alle Anliegen.«
Tausende koschere Lunchpakete sollen verteilt werden. »Unser Ziel ist es, dass jeder Jude, der zu den Spielen nach Südkorea kommt, eine kraftvolle jüdische Erfahrung hat und sich wie zu Hause fühlt«, kündigt der Rabbiner an.
»Passion. Connected.« – so lautet das offizielle Motto der Winterspiele von Pyeongchang. Ins Deutsche übersetzt heißt dies in etwa so viel wie: »Leidenschaft, die verbindet«. Für Rabbi Litzman wäre auch »Tradition, die verbindet« durchaus ein gutes Motto. Denn: »Zusammenkommen, den Schabbat feiern und die Tora studieren, das verbindet uns besser als alles andere.«