Der Hellenische Staatsrat, so etwas wie das griechische Pendant zum Bundesverfassungsgericht, hat entschieden: Ein Erlass der Regierung, der seit 2017 das religiöse Schächten von Schlachttieren erlaubte, verstößt gegen das Tierwohl und ist damit nichtig.
In der Praxis bedeutet das: Koscheres Schlachten ist künftig in Griechenland ebenso verboten wie das Schächten von Tieren nach den islamischen Speisegesetzen (halal).
KAUM DEBATTE Eigentlich, so erläutert Victor Eliezer vom Dachverband der jüdischen Gemeinden in Griechenland (KIS), habe es seit dem Ministerialerlass 2017 keine öffentliche Debatte mehr gegeben zu dieser Frage. Ganz im Gegensatz zu anderen Ländern wie Belgien, in denen das Thema große Wellen geschlagen hatte.
Dennoch reichte eine Tierschutzorganisation gegen die amtliche Erlaubnis für die islamische und jüdische Religionsgemeinschaft, Tiere auch ohne vorherige Betäubung zu schächten, Klage ein. Diese hatte am Dienstag vor dem Staatsrat Erfolg. Damit wird das religiöse Schächten in Griechenland nunmehr ausdrücklich untersagt.
Ein Hintertürchen hat der Staatsrat allerdings offengehalten: In seinem Urteil forderte er die Regierung auf, in Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften eine Lösung zu finden, die dem Tierwohl Rechnung trage. Auch wenn die Richter nicht explizit auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Dezember 2020 verwiesen, so gilt es doch als wahrscheinlich, dass es ihnen als Grundlage für die Entscheidungsfindung diente.
EU-URTEIL Die Luxemburger Richter hatten damals entschieden, dass ein Verbot des Schächtens ohne Betäubung zulässig sei, wenn das von den nationalen Gesetzgebern im Sinne des Tierwohls für erforderlich gehalten werde – obwohl damit in die Religionsfreiheit eingegriffen werde.
In der Praxis hat das Urteil für die rund 5000 griechischen Juden kaum Bedeutung. Es werden dort nur wenige Tiere nach der Kaschrut, den jüdischen Speisegesetzen, geschlachtet. Das meiste koschere Fleisch wird aus dem Ausland importiert. Symbolisch gesehen, betont jedoch Victor Eliezer, sei das Urteil des Staatsrats dennoch ein Schlag ins Kontor.
Er hofft aber, dass für die Zukunft noch eine tragfähige Lösung gefunden werden kann. »Das koschere Schächten ist ein verbindliches religiöses Gesetz und ein wesentlicher Bestandteil der jüdischen Identität«, so Eliezer gegenüber der Jüdischen Allgemeinen.
TREFFEN Der KIS-Vorstand beabsichtigt, sich schon bald mit den zuständigen griechischen Behörden zu treffen. Dabei wolle man in enger Abstimmung mit dem Europäischen Jüdischen Kongress und anderen jüdischen Gemeinden in Europa vorgehen, so der Generalsekretär des Gemeindebundes.
In einer Pressemitteilung am Freitag nannte der KIS das Verbot der Schechita »einen schwerer Schlag für die jüdische Lebensweise«. Man hoffe dennoch, dass Griechenland auch künftig wieder die »Einhaltung der religiösen Pflichten der griechischen Juden sowie der Tausenden jüdischen Besucher im Land gewährleisten« werde.