Mit vermutlich 50 Athleten schickt Israel bei seiner 16. Teilnahme an Olympischen Sommerspielen seine bisher größte Delegation. Mehr als 1000 israelische Fans wollen ihr bei den Wettbewerben in Rio zujubeln. Gut möglich, dass sich ihnen ein Mehrfaches an Juden aus Lateinamerika und anderen Erdteilen anschließt – die Zahl aller jüdischen Olympia-Teilnehmer wird auf etwa 250 geschätzt.
Die jüdischen Gemeinden in Rio de Janeiro und den benachbarten Teilstaaten, in denen ebenfalls Olympia-Wettbewerbe stattfinden, haben sich entsprechend vorbereitet. Rios rund 30 Synagogen, jüdische Gemeindezentren und Klubs werden zu Willkommenszentren und Treffpunkten – nicht nur für jüdische Athleten und Funktionäre, sondern auch für Journalisten und die vielen Olympiatouristen. Nahe dem Olympischen Dorf öffnet am Freitag das jüdische Gemeindezentrum »Centro comunitario judaico« – »para comer, orar e relaxar« – zum Essen, Beten und Entspannen.
Erew Schabbat Apropos Freitag: Der Zeitpunkt der Eröffnungsfeier am Erew Schabbat macht frommen Juden eine Teilnahme unmöglich. Auch die offizielle Vertreterin des jüdischen Staates bei den Spielen, Israels Sportministerin Miri Regev, kündigte bereits an, dass sie wegen des Schabbats der Zeremonie fernbleiben muss.
Den Sportklubs der jüdischen Gemeinde gehören in Rio und anderen Städten Brasiliens meist weiträumige Sportstätten. Nicht zufällig trainieren daher allein im »Hebraica« von São Paulo zahlreiche Athleten der Olympia-Delegationen von gleich drei Ländern: Japan, Israel (Judo, Schwimmen, Leichtathletik) und sogar Gastgeber Brasilien. Vor allem die israelischen Athleten werden angesichts der Terrorgefahr besonders von Polizisten geschützt.
koscher Die Gemeindezentren von Rio rechnen während der Spiele und den Paralympischen Wettbewerben gleich im Anschluss daran mit Zehntausenden jüdischer Besucher. Dementsprechend bereitet man große Mengen an koscherem Essen vor. Ähnlich geht es in Brasilien derzeit vielen jüdischen Familien, die jüdische Olympia-Besucher aus aller Welt beherbergen oder tageweise zu sich einladen.
Bei so viel jüdischer Präsenz in Rio hat die Abwehr möglicher Terroranschläge entsprechende Priorität. Dies zählt auch zu den wichtigsten Gesprächsthemen der örtlichen jüdischen Gemeinde mit mehr als 30.000 Mitgliedern. Ihr Präsident Paulo Maltz sagte kürzlich: »Wir sind in höchster Alarmstufe.«
Maltz erinnerte an die Bombenanschläge von 1992 auf die israelische Botschaft und von 1994 auf das jüdische Gemeindezentrum in Buenos Aires. »Brasilien ist nicht frei von solchen Bedrohungen.«
Zudem sind auch neonazistische Organisationen in Brasilien traditionell stark: Just an der Copacabana, wo zahlreiche Juden wohnen, wurden vor einigen Wochen neben einer Synagoge drei große Hakenkreuze an eine Mauer geschmiert. Taten wie diese sind in Brasilien, dem Zufluchtsort vieler Nazi-Kriegsverbrecher, nichts Ungewöhnliches. Jurist Maltz dringt auf polizeiliche Ermittlungen.
Olympiaattentat 1972 Grund genug für die jüdische Gemeinde von Rio de Janeiro, ihre Schulen vor und während der Olympischen Spiele mit städtischen Schulen zwecks gemeinsamer Erkundung der jüngeren Geschichte zusammenzubringen. In einem dieser pädagogischen Projekte wird etwa ein Buch über das Olympiaattentat 1972 von München erarbeitet und produziert. Bei dem Anschlag von acht palästinensischen Terroristen starben elf israelische Sportler. »Die Kinder müssen verstehen«, sagt Niskier, der Leiter des Projekts, »welches Unheil der Terrorismus anrichtet.«
Gegenüber der Presse nennt er es »geradezu fantastisch«, wie gut jüdische und staatliche Schulen trotz großer Gegensätze zusammenarbeiten.