Knapp 25 Jahre nach dem Ende des Krieges ist in Bosnien und Herzegowina noch immer keine Regelung für die Restitution von konfisziertem Eigentum gefunden worden – obwohl das Thema drängt. Nun erhöht die jüdische Gemeinde den Druck auf die Politik, damit diese endlich eine gerechte und leicht umzusetzende Antwort findet.
»Wenn wir als EU-Beitrittskandidat ernst genommen werden möchten, müssen wir auch solche Probleme lösen«, sagt der Gemeindevorsitzende Jakob Finci. »Dazu aber braucht es einen politischen Willen, der im Moment noch nicht vorhanden ist.«
Ansprüche Dies könnte sich allerdings bald ändern, denn vor einigen Wochen verabschiedete das Europäische Parlament eine Resolution, die die bosnischen Behörden dazu auffordert, »die Eigentumsrechte zu gewährleisten« und »einen umfassenden gesetzlichen Rahmen für die Handhabung der Restitutionsansprüche« zu verabschieden. Dabei handelt es sich sowohl um privates als auch um kollektives Eigentum, das während des Zweiten Weltkriegs oder in den Jahren unmittelbar danach konfisziert wurde. Betroffen sind nicht nur die jüdische, sondern auch die christlich-orthodoxe und die muslimische Gemeinde, deren Immobilien unter dem faschistischen und später dem kommunistischen Regime ohne Ausgleich beschlagnahmt wurden.
Die Bemühungen der religiösen Gemeinden, separat und auch gemeinsam eine Regelung zu erreichen, scheiterten bisher auch deshalb, weil die Verfassung des Landes eine hochkomplexe Art des Föderalismus vorschreibt, die gemeinsames politisches Handeln fast unmöglich macht. Zudem zeigten sich zwischen den beiden Entitäten des Staates, der serbischen und der bosniakisch-kroatischen, von Anfang an Animositäten, und es gibt kaum ein Thema, das in beiden Staatsteilen ähnlich geregelt ist.
Gesetze Gideon Taylor, Geschäftsführer der World Jewish Restitution Organization (WJRO), fordert, Bosnien müsse die entsprechenden Gesetze verabschieden, die es ermöglichen, das private und kollektive Eigentum zurückzugeben.
Gemeindechef Finci geht davon aus, dass eine Kompromisslösung längst hätte gefunden werden können, würde es sich nicht um wertvolle Immobilien handeln, die für die Klientel der jeweiligen Politiker attraktiv sind. Tatsächlich versteckt sich hinter den nationalistischen Tiraden und vorgetäuschten ethnischen Konflikten ganz häufig Korruption.
Auch der Staat profitiert direkt vom konfiszierten Eigentum. Zahlreiche öffentliche Einrichtungen sind in historischen Gebäuden untergebracht, die vor dem Zweiten Weltkrieg der jüdischen oder anderen religiösen Gemeinden gehörten. So diente etwa der schöne, 1892 errichtete Palast La Benevolencija im Zentrum Sarajevos ursprünglich als Hauptsitz des gleichnamigen jüdischen Hilfswerkes, das talentierten Jugendlichen ein Studium in Wien oder Budapest finanzierte. Als Bosnien 1941 Teil des faschistischen Unabhängigen Staates Kroatien wurde und die Verfolgung der hiesigen Juden begann, wurde das Hilfswerk verboten und der Palast konfisziert. Titos Sieg 1945 änderte wenig daran: Als religiöse Organisation blieb La Benevolencija verbannt. Erst in den 90er-Jahren, nach dem Zerfall Jugoslawiens, konnte sie wiedergegründet werden. Doch der Palast wurde nie zurückgegeben. Heute hat in dem Gebäude das Innenministerium des Kantons Sarajevo seinen Sitz.
»Während viele Länder unserer Region, die sich nach der Wende mit ähnlich komplexen Problemen konfrontiert sahen, mittlerweile vernünftige Lösungen gefunden haben, die sowohl für die zu Unrecht enteigneten Gemeinden als auch für den Staat einen Kompromiss darstellen, passierte in Bosnien so gut wie nichts«, kommentiert Jakob Finci. »Wir hoffen, dass der europäische Druck dazu beitragen wird, dass sich das bald ändert.«
Auf dem Gebiet des heutigen Bosnien lebten vor der Schoa rund 14.000 Juden, heute sind es knapp 1000.